Autor: Prof. Alan Fogel, Professor für Psychologie an der Universität of Utah in Salt Lake City, mit 35 Jahren Therapie, Lehr- und Forschungserfahrung, PH.D. in Pädagogik zum Thema frühkindliche Entwicklung
Übersetzerin: Dr. med. Helmi Boese
Verlag: Schattauer GmbH Hölderlinstr.3 70174 Stuttgart, 365 Seiten
ISBN 978-3-7945-2965-0

Dieses Buch beschreibt praktisch und wissenschaftlich fundierte Wege zu einer verkörperten Selbstwahrnehmung. Fogels Aussagen zufolge befähigt sie uns, im tiefsten Innern unseres psychophysiologischen Wesens die Wahrnehmung unseres Selbst zu erweitern.
Das Ziel der Förderung verkörperter Selbstwahrnehmung ist die Fähigkeit zu einer tiefen Präsenz im Augenblick zu gewinnen, die es ermöglicht, einen positiv regulierenden Handlungsverlauf zu wählen. Dieser subjektiv emotionale Augenblick ist der Platz unserer Kreativität, Inspiration und unseres persönlichen Wachstums.
Ergänzend dazu basiert die begriffliche Selbstwahrnehmung auf Sprache und Symbolen, ist rational, logisch erklärend, eher abstract und überwindet den gegenwärtigen Augenblick. Nach Alan Fogel ist verkörperte Selbstwahrnehmung für Gesundheit und Überleben genauso fundamental wie atmen und essen. Anpassungsprozesse an wechselnde Phasen im Leben können diese Fähigkeit aber vermindern und damit die Handlungskompetenzen schwächen.

Die ersten Kapitel demonstrieren über säuglingstheoretische Ansätze die Bedeutung der frühen Bindung für die Entwicklung von selbst- und körperbezogener Wahrnehmung. Bezugnehmend auf die Neurowissenschaften zeigt er auf, wie erfahrungsabhängig Gehirnentwicklung ist sowie die Möglichkeit über aktive Übungen neuronales Wachstum im Wahrnehmungsbereich anzustoßen. Dabei werden frühe Prägungen ursächlich bis zu feinen passenden oder unpassenden Bewegungsmustern untersucht. Das neuronale Netzwerk der verkörperten Selbstwahrnehmung umfasst dabei die Organisation von Körperschema, Propriozeption, Interozeption und Emotionen.
Im 4. und 5. Kapitel werden Formen der Unterdrückung von verkörperter Selbstwahrnehmung durch beeinträchtigte Körperzustände, beleuchtet. Das 6. Kapitel untersucht die Psychophysiologie der Bewegungs- und Berührungsorgane, der Muskeln und Haut. Es zeigt, wie Bewegung und Berührung den Menschen in seinen Beziehungen zu anderen verhilft, ein einzigartiges Muster von verkörperter und begrifflicher Selbstwahrnehmung auszubilden. Fogel greift dabei auf Fallberichte verschiedener Körpertherapien im Besonderen aus der Rosenmethode zurück, in denen die „lauschende Berührung" einen positiven Resonanzraum zwischen der Hand des Therapeuten und dem Körper des Klienten herstellt. Er weist aber auch mit vielen persönlichen Beiträgen auf die Notwendigkeit hin, für sich selbst ausreichend die Methode der verkörperten Selbstwahrnehmung anzuwenden, um eine eigene Durchlässigkeit für die eigenen Ressourcen und Haltungen zu finden. Das 7. Kapitel gilt den biologischen und psychischen Grundlagen „vom Atem holen und unsere Stimme finden". Das letzte Kapitel weist auf weitere alltägliche Wege zur erholsamen verkörperten Selbstwahrnehmung hin.
Dem Körpertherapeuten und Entwicklungspsychologen Fogel gelingt es profunde biologische Kenntnisse in einen Zusammenhang zu psychischen Phänomenen zu setzen und Anwendungsbeispiele für Körpertherapien plastisch zu demonstrieren.

Dabei können die Grundprinzipien der Rosenmethode zur Behandlung von Störungen verkörperter Selbstwahrnehmung auch für KBT-Therapeuten spannend und bereichernd für den eigenen Therapieprozess mit Klienten sein:
Wiederentdecken und Aufrechterhalten von Ressourcen z.B. körperliche, mentale Bilder über die eigenen sicheren Fähigkeiten, stabilen Beziehungen
Verlangsamung, die Überholspur des Denkens verlassen und länger im subjektiven Augenblick verweilen können z.B. den Wechsel vom Denken zum Fühlen anregen, mit dem beginnen, was die Person zunächst fühlen kann
Koregulation; Therapeutin fördert regulierende das Gefühl von Sicherheit in der therapeutischen Beziehung und im eigenen Körper z.B. helfen die Homöostase von autonomer Erregung und Entspannung der Person aufrecht zu erhalten.
Verbalisierung; Versprachlichung interozeptiver Körperempfindungen und Emotionen bei gleichzeitigem Verweilen im subjektiven emotionalen Augenblick
Verbindung und Grenzen; Aufklären über die Lage und Verbindungen im Körperschema, innerhalb des Selbst und in der Beziehung zum anderen.
Selbstregulation; aktiv werden für den eigenen Erholungsprozess z.B. herausfinden, welche Linderungsmöglichkeiten selbst initiiert werden können
Reengagement; die Fähigkeit schulen, im subjektiven emotionalen Augenblick verbleiben und mit dem Wissen ihn auch verlassen zu können, die Fähigkeit mit anderen im Kontakt zu sein und dabei trotzdem im eigenen subjektiven emotionalen Augenblick verankert zu bleiben.
Loslassen: Nach erfolgreicher Verinnerlichung der o.g. Schritte, sich die Erlaubnis geben loszulassen ohne die verkörperte Selbstwahrnehmung einzubüßen.
Der Biopsychosoziale Ansatz dieses Buches ist auch für KBT-Therapeuten auf vielfache Weise hilfreich und empfehlenswert, manche Krankheitsphänomene im psychosozialen Bereich mit einem erweiterten Blick anzuschauen. Das Buch liest sich angesichts vieler Fallbeispiele und auch der verkörperten Sprache sehr gut auch wenn manche eigenständigen Begrifflichkeiten aus der Rosenmethode einer persönlichen Übersetzung bedürfen.

Clara Scheepers-Assmus