Was heißt das für uns in der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT)?

Worauf müssen wir uns ein-stellen, ein-lassen, was sollten wir ver-lassen, gehen-lassen, weg-lassen, um mit geflüchteten Menschen arbeiten zu können?
Die Menschen, die geflüchtet und zum größten Teil durch die Flucht traumatisiert sind,   werden unsere Patienten, oder sind es schon. Die Zahl der geflüchteten Menschen in den Kliniken, Nachsorge-Einrichtungen und Praxen  nimmt deutlich zu. Diese Menschen kommen aus anderen Kulturkreisen und sind häufig mit der Psychotherapie, mit der Körperpsychotherapie nicht vertraut.
Außerdem gibt es in der Regel ein Sprachproblem, weil die überwiegende Mehrheit dieser Patienten, wenn sie überhaupt schon Deutsch gelernt haben, noch nicht über einen so differenzierten Wortschatz verfügen, den sie für eine Psychotherapie benötigen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit mit Dolmetschern zu arbeiten. Das bringt eine veränderte Situation mit sich:
Für die Einzeltherapie heißt das, dass wir nicht mehr zu zweit sondern zu dritt sind, was das Setting deutlich verändert. Dafür benötigen wir Informationen und Schulungen von Therapeuten, die schon die Arbeit mit Dolmetschern kennen und durchführen. Ähnliches gilt natürlich  für die veränderte Situation in der Gruppentherapie. Welche Auswirkungen hat hier die Anwesenheit einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers? Auch hier müssen wir lernen mit einer neuen Entwicklung umzugehen.
Eine weitere Möglichkeit oder Notwendigkeit bei der Arbeit ohne Dolmetscher ist, die verbale Kommunikation hinten an zu stellen, und darauf zu vertrauen, dass das Erlebte auch ohne die sonst übliche Reflektion sehr hilfreich und heilsam sein kann.
Mit wenig Sprache aus zu kommen, wo wir doch jahrelang darum gekämpft haben, nicht als „Non-verbale Therapieform“ geführt zu werden? Und jetzt sollen wir auf die Sprache verzichten? Da wir hier nicht in erster Linie das Trauma aufarbeiten (hier für wäre die Sprache unabdingbar), sondern vorrangig die Menschen stabilisieren und ihnen Sicherheit vermitteln wollen. Und da sind wir an einem der wichtigsten Punkte. Geflüchtete Menschen haben fast alles verloren was einmal ihr Leben ausgemacht hat: Ihre Familie, ihre Freunde, ihr Zuhause, ihre Arbeit, Ihre Kultur, ihre Sprache. Sie haben einen riesigen, ja geradezu unvorstellbaren Verlust erlitten. Alles was sich daraus ergibt, ist eine große Verunsicherung.
In der Regel geht diese Verunsicherung auch bei uns, in Deutschland weiter, da meist der Aufenthaltsstatus nicht geklärt ist. Ebenfalls unklar ist, was mit den Familien-mitgliedern und Freunden in der Heimat passiert. Wie es überhaupt weiter geht. Was wir in dieser Situation, in der Therapie anbieten können und sollen und müssen, ist an aller erster Stelle:
Sicherheit schaffen!
Und das geht mit sehr wenig Sprachkenntnissen. Was wir gut können in der KBT, ist die Menschen dort abzuholen, wo sie gerade sind und im HIER und JETZT zu arbeiten. Um dies zu schaffen, brauche ich als Therapeutin ein Konzept, bei dem ich mich ganz sicher fühle, um nicht von der Gegenübertragung (der großen Verunsicherung) erfasst zu werden.
So wie wir uns in unserer KBT- Geschichte immer weiter entwickelt haben, müssen wir es in dieser Situation auch tun. Zur Gruppentherapie kam die Einzeltherapie. Aus der Selbsterfahrung entstanden Therapiekonzepte für die unterschiedlichsten Krankheitsbilder. Ein neuer Schwerpunkt kommt dazu, die Arbeit mit geflüchteten, traumatisierten Menschen aus einem anderen Sprach- und Kulturraum.
Die Forschungswerkstatt hat schon darauf reagiert. Die zwei Tage am 17. und 18. Februar 2017 stehen unter dem Titel: „Annäherung an das Fremde. Möglichkeiten und Grenzen der interkulturellen Psychotherapie in der KBT“
Ich glaube wir schaffen das!

Marie-Louise Redel