Konzentrative Bewegungstherapie bei depressiven Patienten im stationären Rahmen. Eine Einzelfallanalyse. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Psychologisches Institut, Eberhard-Karl-Universität, Tübingen.

Fragestellung / Hypothesen
Es wird der Fragestellung nachgegangen, ob eine spezifische Wirkungsweise der KBT bei depressiven Patienten in der Intensivierung des Körperbilds und der damit einhergehenden Veränderung besteht. Dabei werden folgende Hypothesen untersucht: (1) KBT verändert die bewusste Körperwahrnehmung in Richtung einer realistischen Vorstellung des eigenen Körpers bzw. eines realistischen körperbezogenen Selbstkonzepts. (2) KBT verändert das einseitig homogen negativ erlebte Gefühlsleben und bewirkt ein heterogenes, flexibles Erleben von unterschiedlichen Gefühlen bzw. Befindlichkeiten. (3) KBT verändert den energetischen Aspekt des Körperbildes, so dass statt einer reduzierten Körperdynamik mit den Symptomen der Energielosigkeit und Antriebshemmung eine gesteigerte Körpervitalität empfunden wird.

Stichprobe
Acht Patienten (fünf Frauen und drei Männer) im Alter von 28 bis 56 Jahre mit der Diagnose einer depressiven Störung nach ICD-10 der Depressionsstation der Psychiatrischen Universitätsklinik Tübingen. Bei sechs dieser Patienten lag eine schwere depressive Episode zum Teil einhergehend mit psychotischen Symptomen vor.

Untersuchungsdesign
Die Untersuchung wurde als Einzelfallanalyse der Therapieverläufe konzipiert, d.h. die Analyse der Therapieverläufe erfolgte separat für jeden der acht Patienten. Alle Patienten wurden mit KBT im Gruppensetting mit zwei anderthalbstündigen Therapieeinheiten pro Woche behandelt. Grundlage für die KBT-Behandlung war ein für diese Studie entwickeltes Manual mit der ausführlichen Beschreibung der therapeutischen Angebote und damit verbundenen Zielsetzungen für zwölf Therapieeinheiten. Als unabhängige Variable wurden vier Interventionsphasen definiert: (1) Baseline (vor Beginn der KBT-Behandlung) mit einem Zeitraum von vier bis dreizehn Tagen, (2) erste Phase der KBT-Behandlung mit dem Schwerpunkt “bewusste Körperwahrnehmung“, (3) zweite Behandlungsphase mit dem Schwerpunkt “Befindlichkeit und Gefühle” sowie (4) dritte Behandlungsphase mit dem Schwerpunkt “Körpervitalität”. Anhand zweier Fragebögen und einer Analogskala, die täglich morgens und abends von den Patienten auszufüllen waren, wurden Maße zur Befindlichkeit bzw. zum Körpererleben erfasst, die als abhängige Variablen dienten. Folgende Kontrollvariablen wurden berücksichtigt: (1) Das Ausmaß der durch den Patienten erlebten Depression, das wöchentlich anhand eines Fragebogens erhoben wurde, (2) Tageszeitpunkt der täglichen Fragebogenerhebung und (3) gegebenenfalls Vorliegen einer Elektrokrampfbehandlung und deren Wirkung. Untersucht wurde, ob sich für die drei Interventionsphasen eine Veränderung der abhängigen Variablen im Vergleich zur Baseline nachweisen lässt.

Datenerhebungsverfahren
Als Messinstrumente zur Erhebung der abhängigen Variablen wurden der für die Zustandsdiagnostik modifizierte Fragebogen zum Körperbild (FKB-20; Clement & Löwe, 1996) mit den Skalen “ablehnende Körperbewertung” (abhängige Variable der Hypothese 1) und “vitale Körperdynamik” (abhängige Variable der Hypothese 3), die Befindlichkeitsskala (Bf-S; Zerssen, 1996a) und eine visuelle Analogskala zur Befindlichkeit (abhängige Variablen der Hypothese 2) verwendet. Das Ausmaß der depressiven Symptomatik als Kontrollvariable wurde anhand des Beck Depressionsinventars (BDI; Beck, 1995) erfasst.

Datenauswertungsverfahren
Zeitreihenanalyse unter Verwendung von ARIMA-Modellen zur Bereinigung sequentiell bedingter Abhängigkeiten sowie multi- und univariate Varianzanalyse zur Prüfung der Hypothesen auf Basis ARIMA-geschätzter Werte.

Ergebnis
In keinem der acht Einzelfälle konnte bei multivariater Betrachtung ein globaler Effekt der KBT-Behandlung auf die abhängigen Variablen nachgewiesen werden. Auch die univariate Prüfung erbrachte keine Bestätigung der drei Hypothesen. Ein einziges signifikantes Ergebnis in erwarteter Richtung ergab sich bei einem Patienten für den Vergleich Baseline und dritte KBT-Behandlungsphase, wonach der Patient in einer der beiden Variablen zur Befindlichkeit (visuelle Analogskala) eine Verbesserung aufwies. Teilweise waren bei den Patienten entgegen der Erwartung Verschlechterungen in der Befindlichkeit und in den beiden Skalen des FKB-20 zu verzeichnen. Nur bei zwei Patienten zeigte sich im Studienverlauf eine Verbesserung der Depressivität im BDI, die offenbar im Zusammenhang mit einer positiven Wirkung der Elektrokrampftherapie stand.

Anmerkung
Die Autorin schränkt selbst ein, dass es sich in der Untersuchung um Patienten handelte, die an einer schweren bzw. sogar therapieresistenten Depression litten, sodass kaum mit deutlichen Verbesserungen innerhalb des Interventionszeitraums von etwa zwei Monaten zu rechnen war. Wie die fehlende Besserung der depressiven Symptomatik bei sechs der acht Patienten belegt, zeigte die stationäre Behandlung mit ihren verschiedenen Therapien (wie Verhaltenstherapie, antidepressive Medikation) insgesamt während dieses Zeitraums keinen deutlichen Effekt. Anzumerken ist, dass die Autorin neben dem oben erwähnten signifikanten Ergebnis für einen anderen Patienten ein weiteres hypothesenkonformes Ergebnis im Sinne einer verbesserten vitalen Körperdynamik auflistet, die mitgeteilten Zahlen dagegen aber auf eine Verschlechterung hinweisen. Positiv zu erwähnen ist die ausführliche therapeutische Anleitung für die KBT mit depressiven Patienten, die sich im Anhang der Arbeit befindet.

pdfDAKBT_Bauer_Petersen_2002.pdf