Von der Schlüsselerfahrung zur KBT®-Identität? Konzentrative Bewegungstherapie, 47, 64-76.

Fragestellung / Hypothesen
Die Studie geht der Fragestellung nach, welche Bedeutung frühe Schlüsselerfahrungen für den persönlichen und beruflichen Entwicklungsprozess von KBT-Therapeuten haben, und was für sie typische und wesentliche Elemente der KBT sind. Zudem wird überprüft, ob kohortenspezifische Unterschiede zu verzeichnen sind, wonach KBT-Therapeuten, die KBT in den ersten Weiterbildungskursen kennengelernt haben, sich hinsichtlich ihrer Schlüsselerfahrungen von denjenigen KBT-Therapeuten unterscheiden, die erst später oder in jüngerer Zeit ihre Weiterbildung gemacht haben.

Stichprobe
62 KBT-Therapeuten (49% Frauen; 19% Lehrbeauftragte, 44% Zertifikatsinhaber, 37% Weiterbildungs- bzw. Ausbildungskandidaten), die in drei Teilstichproben aufgeteilt wurden: (1) Beginn der Weiterbildung zwischen 1970 und 1989 (n=21), (2) zwischen 1990 und 2009 (n=28) sowie (3) ab 2010 bis heute (n=13).

Untersuchungsdesign
Querschnittserhebung mit einmaliger Fragebogenerhebung bei DAKBT- und ÖAKBT-Mitgliedern.

Datenerhebungsverfahren
Selbst entwickelter Fragebogen mit geschlossenen und offenen Fragen. Als offene Kernfrage wird formuliert: „Gab es eine ‚Schlüsselerfahrung‘, etwas tief Berührendes, was Deine Neugierde auf die KBT geweckt und Dich mit Dir und der KBT verbunden hat?“. In geschlossenen Fragen wird dann um eine Zuordnung der Schlüsselerfahrung zu verschiedenen Aspekten der Selbst- sowie der Gruppenerfahrung in der KBT und der Erfahrung mit dem Lehrtherapeuten gebeten. Weitere Fragen mit kombiniertem offenen und geschlossenen Antwortmodus betreffen die Bedeutung der Schlüsselerfahrung für die eigene Haltung zur KBT und für das weitere Leben. Mit einer offenen Frage wird abschließend erfasst, was als das Typische der KBT angesehen wird.

Datenauswertungsverfahren
Deskriptive Beschreibung der Erfahrungen in der KBT im Vergleich der drei Teilstichproben.

Ergebnis
40% der KBT-Therapeuten geben keine unmittelbare Erfahrung mit der KBT als Schlüsselerfahrungen an, sondern beschreiben ihren Zugang zur KBT aus einer „Meta-Position“ heraus (z.B. wird die KBT als gesuchte Erweiterung des bisherigen Arbeitsumfeldes beschrieben). 60% der KBT-Therapeuten führen hingegen eine reale Selbsterfahrung im Kontext der KBT als Schlüsselerlebnis an (z.B. erstmalig die Geborgenheit in einer Gruppe erlebt zu haben). Die KBT-Teilnehmer der jüngeren Kohorte ordnen im Vergleich zu den beiden anderen Kohorten ihre Schlüsselerfahrungen weniger leiblichen Eigenerfahrungen in der KBT zu, sondern vielmehr der Erfahrung mit Gegenständen sowie Symbolen und eigenem Handeln. Hingegen sehen die KBT-Teilnehmer der ältesten Kohorte ihre Schlüsselerfahrungen insbesondere im Zusammenhang mit dem experimentellen Probehandeln in der KBT. Die Erfahrung der Konfrontation mit schwierigen Anteilen wird von allen drei Kohorten als wichtigste Gruppenerfahrung benannt, die im Zusammenhang mit Schlüsselerfahrungen steht. Für die KBT-Therapeuten der ältesten Kohorte haben ihre Schlüsselerfahrungen in Hinblick auf die Erfahrung mit dem Lehrtherapeuten vor allem etwas damit zu tun, sich getragen, gesehen und verstanden gefühlt zu haben. Dies ist für die KBT-Therapeuten der jüngsten Kohorte dagegen von vergleichsweise geringer Bedeutung. Zudem unterscheiden sich beide Kohorten darin, dass für die jüngste Kohorte die Erfahrung der Rückendeckung für neue Handlungsmuster im Zusammenhang von Schlüsselerfahrungen wichtig ist, was hingegen für die älteste Kohorte kaum eine Rolle spielt. Die meisten KBT-Therapeuten meinen, dass ihre Schlüsselerfahrung sie in ihrer Haltung zur KBT geprägt hat (84%) und entscheidend zu Veränderungen in ihrem Leben beigetragen hat (82%). Das Typische der KBT wird von den KBT-Therapeuten der ältesten und mittleren Kohorte insbesondere in der engen Verknüpfung von Körper, Geist und Seele gesehen. Die KBT-Therapeuten der jüngsten Kohorte sehen hingegen mehr die methodischen Merkmale und therapeutischen Potentiale als das Typische der KBT im Sinne eines effektiven therapeutischen Handwerkszeugs.

Anmerkung
Die Autorin stellt in ihrer Zusammenfassung der Ergebnisse fest, dass reale Leiberfahrungen heute weniger bedeutsam für den Einstieg in die Weiterbildung erscheinen, dass jedoch die Notwendigkeit der individuellen leib-seelischen Erfahrungen in allen drei Kohorten als bedeutsam für den Einstieg in die Weiterbildung betont wird. Als bedeutsamer Teil der Kernidentität zeige sich in allen drei Kohorten das experimentelle Probehandeln bzw. das Erleben der eigenen Handlung in der KBT, worin die Autorin einen Profilgewinn der KBT gegenüber anderen körper- oder achtsamkeitsorientierten therapeutischen Verfahren sieht. Hinsichtlich der berichteten Unterschiede zwischen den Weiter- bzw. Ausbildungskohorten zu ihren Erfahrungen mit den Lehrtherapeuten gibt sie zu bedenken, dass die Frage offen bleibt, ob diese auf unterschiedliche Erfahrungen mit den Lehrtherapeuten in der Aus- und Weiterbildung oder auf unterschiedliche Bedürfnisse der Aus- und Weiterbildungskandidaten zurückzuführen sind. Da die Auswertung des Fragebogens ohne Einbezug inferenzstatistischer Verfahren und methodischer Vorgehensweisen qualitativer Datenanalyse erfolgte, kann die Bedeutung der Studie darin gesehen werden, dass sich anhand der Ergebnisse Hypothesen für weiterführende Studien generieren lassen.