Was erleben Patienten in stationärer Psychotherapie zwischen den Gruppentherapie-Sitzungen? Eine erste Erprobung des Inter-Session-Fragebogens in der Klinik. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 66, 21–30.

Fragestellung / Hypothesen
Die Studie geht u.a. folgenden Fragestellungen nach: Welche Inter-Session-Erfahrungen machen Gruppentherapie-Patienten, d.h. in welchem Ausmaß und in welcher Weise ist die Gruppentherapie zwischen den Gruppentherapiestunden im Erleben der Patienten präsent? Welchen Einfluss auf die Erfahrungen haben das Geschlecht des Patienten, der Kliniktyp und Merkmale der Gruppentherapie (Art der Gruppentherapie, absolvierte Sitzungszahl, Gruppengröße)?

Stichprobe
702 Patienten aus 13 Reha-Kliniken, Akutkliniken sowie Spezialkliniken für Essstörungen (70,7% Frauen), von denen 109 Patienten Angaben zu körperorientierten Gruppen machten (darunter 82 Patienten mit Angaben zur KBT-Gruppenbehandlung).

Untersuchungsdesign
Querschnittserhebung im Rahmen einer multizentrischen Studie mit einmaliger Fragebogenerhebung bei Patienten stationärer Psychotherapie.

Datenerhebungsverfahren
Modifizierte Version des Inter-Session-Fragebogens (ISF; Hartmann et al., 2003) für die Anwendung im Kontext gruppenpsychotherapeutischer Behandlung. Der ISF hat folgende Skalen: (A) Intensität der Inter-Session-Erfahrungen, (B) situativer Rahmen von Inter-Session-Erfahrungen (B1: emotional geladene Kontexte, B2: entspannt/assoziative Kontexte), (C) Inhalte von Inter-Session-Erfahrungen (C1: Wiederaufleben lassen der Therapie, C2: Anwenden der Therapie, C3: Beziehungsphantasien), (D) emotionaler Gehalt von Inter-Session-Erfahrungen (D1: positive Inter-Session-Emotionen, D2: negative Inter-Session-Emotionen) und (E) Mitteilung der Inter-Session-Erfahrungen an andere Personen.

Datenauswertungsverfahren
Deskriptive Bewertung der Inter-Session-Erfahrungen sowie inferenzstatistische Auswertung in Hinblick auf die in den Fragestellungen angeführten Einflussmerkmale.

Ergebnis
Unabhängig von der Art der Gruppentherapie - unterschieden wurden verbale Gruppen, störungsspezifische Gruppen, körperorientierte Gruppen und Kunst-/Gestaltungsgruppen - erinnern sich Patienten am häufigsten an die letzte Therapiesitzung, wenn es ihnen schlecht geht bzw. wenn es gilt Probleme zu lösen. Inhaltlich sind die Patienten am ehesten mit Ereignissen aus der letzten Sitzung beschäftigt und wie sie das dort Erfahrene bzw. Erlernte anwenden können. Positive Emotionen überwiegen im Erleben, wenn Patienten zwischen den Sitzungen an die Gruppentherapie denken. Ein sozialer Austausch über die Therapie erfolgt selten. Die Intensität des Inter-Session-Erlebens der Patienten fällt in Abhängigkeit von der Art der Gruppenbehandlung signifikant unterschiedlich aus. So ergibt sich für die Patienten der körperorientierten Gruppen der höchste Durchschnittswert auf der Intensitäts-Skala, dagegen für die Patienten der Kunst- bzw. Gestaltungsgruppen der niedrigste Durchschnittswert, wobei der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppenarten eine Effektstärke von mittlerer Größe (d=0,72) aufweist.

Anmerkung
Aus Sicht der Körpertherapie mit ihrer erlebnisorientierten Ausrichtung erscheinen die höheren Werte für die Intensität der Inter-Session-Erfahrungen bei Patienten in körperorientierten Gruppen plausibel. Allerdings lässt sich unter methodischen Gesichtspunkten dieses Ergebnis nicht klar interpretieren. Da die Teilstichproben der Patienten in den verschiedenen Gruppentherapiearten hinsichtlich relevanter Einflussgrößen nicht parallelisiert waren, ist nicht auszuschließen, dass die ermittelte Überlegenheit der körperorientierten Gruppen gegenüber den Kunst- bzw. Gestaltungsgruppen darauf zurückzuführen ist, dass letztere Gruppen eventuell mehr in Spezialkliniken für Essstörungen und in großen Gruppen mit mehr als 12 Teilnehmern durchgeführt wurden, denn für diese Einflussgrößen ergaben sich ebenfalls signifikant niedrigere Werte auf der Intensitäts-Skala.