Konzentrative Bewegungstherapie zur Stabilisierung für Menschen mit posttraumatischen Belastungen bei Trauma und Dissoziation. Eine theoriegegründete quantitative empirische Studie. Unveröffentlichte Master Thesis, Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit, Donau-Universität Krems. Zugriff am 06.07.2017 unter http://webthesis.donau-uni.ac.at/thesen/91870.pdf. [In gekürzter Form veröffentlicht: Fetscher, W. (2015). PTSD-PatientInnen in der KBT-Gruppentherapie an psychosomatischen Kliniken – eine quantitative Studie. Konzentrative Bewegungstherapie, 45, 96-100.]

Fragestellung / Hypothesen
Es wird der Fragestellung nachgegangen, auf welche Weise die KBT in der integrativen stationären Gruppentherapie hilfreich bei Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) im Unterschied zu Patienten mit anderen Diagnosen ist. Dabei wurden fünf Hypothesen überprüft: (1) PTSD-Patienten können in der Therapieanfangsphase die KBT-Angebote besser für sich nutzen, (2) PTSD-Patienten weisen ein höheres Beschwerdeerleben auf und können deshalb die KBT-Angebote in der Therapieanfangsphase besser nutzen, (3) PTSD-Patienten haben in der Therapieanfangsphase ein geringeres körperbezogenes Selbsterleben in der KBT, (4) diejenigen PTSD-Patienten, die ihren Körper stärker ablehnen, haben ein geringeres körperbezogenes Selbsterleben in der Therapieanfangsphase, (5) PTSD-Patienten können sich schlechter interpersonell abgrenzen und können deshalb die KBT-Angebote in der Therapieanfangsphase besser für sich nutzen.

Stichprobe
77 Patienten (69% Frauen) von vier Stationen unterschiedlicher psychosomatischer Kliniken. Anhand der klinischen Diagnosen sowie der Ergebnisse in testpsychologischen Screening-Instrumenten wurden zwei Teilstichproben gebildet und zwar PTSD-Patienten (n=35) und Patienten mit anderen psychischen Störungen (n=42).

Untersuchungsdesign
Prospektive naturalistische Studie mit dem Vergleich von zwei Diagnosegruppen zu drei Messzeitpunkten (t1: vor Beginn der KBT-Behandlung, t2: nach der dritten KBT-Gruppenstunde, t3: nach der vierten KBT-Gruppenstunde).

Datenerhebungsverfahren
Zu t1 wurden folgende Fragebögen den Patienten vorgelegt: (1) Brief Symptom Inventory 18 (BSI-18 [deutsche Fassung]; Franke et al., 2011) mit den Skalen „Somatisierung“, „Depressivität“, „Ängstlichkeit“ und einem Kennwert für das globale Beschwerdeerleben, (2) Fragebogen zum Körperbild (FKB-20; Clement & Löwe, 1996) mit den Skalen „ablehnende Körperbewertung“ und „vitale Körperdynamik“, (3) Kurzform des Inventars zu Erfassung zwischenmenschlicher Probleme (IIP-32; Thomas, Brähler & Strauß, 2011), wobei 5 Items von der Autorin zu einer Skala „Schwierigkeiten bei der interpersonellen Abgrenzung“ zusammengefasst wurden, (4) Posttraumatic Stress Diagnostic Scale – Teil 1 (PDS-1; Ehlers et al., 1997) mit der die Art der Traumatisierung abgefragt wird, (5) Impact of Event-Scala (Ferring & Filipp, 1994) zur Erfassung der Häufigkeit von Belastungsreaktionen in Hinblick auf traumatische Erfahrungen. Zu t2 und t3 wurden zwei Fragebögen vorgelegt: (1) Stundenbogen zur Konzentrativen Bewegungstherapie in der Gruppenbehandlung (SB-KBT-G; Seidler et al, 2013) mit den beiden Skalen „positives vs. negatives körperbezogenes Selbsterleben“ und „gelungenes vs. nicht-gelungenes Nutzen-Können der Therapiestunde“, (2) Stundenfragebogen (SEQ-D, Hartmann et al., 2013), wobei nur ein Item („diese Stunde war nützlich vs. wertlos“) bei der Auswertung berücksichtigt wurde.

Datenauswertungsverfahren
Inferenzstatistische Auswertung mit parametrischen und non-parametrischen Verfahren.

Ergebnis
Zu den einzelnen Hypothesen gab es folgende Ergebnisse: (zu 1) Es ergibt sich für t3 ein signifikanter und für t2 ein tendenzieller Unterschied im SB-KBT-G, wonach PTSD-Patienten besser als andere Patienten die KBT-Gruppenstunde für sich nutzen können. Im SEQ-D zeigt sich für beide Messzeitpunkte kein Unterschied von PTSD-Patienten und anderen Patienten in der Beurteilung der Gruppenstunde als nützlich vs. wertlos. (zu 2) Es findet sich keine Bestätigung dafür, dass der Unterschied beider Patienten-Gruppen im Erleben darin, die KBT-Gruppenstunde für sich nutzen zu können, davon abhängt, wie stark das initiale Beschwerdeerleben im BSI-18 ausfällt. (zu 3) PTSD-Patienten weisen gegenüber anderen Patienten im SB-KBT-G zu t2 aber nicht zu t3 ein signifikant negativeres körperbezogenes Selbsterleben auf. (zu 4) Es zeigt sich nur für t2, dass PTSD-Patienten mit einer hohen ablehnenden Körperbewertung im FKB-20 ein negativeres körperbezogenes Selbsterleben im SB-KBT-G aufweisen. (zu 5) PTSD-Patienten berichten im IIP-D gegenüber anderen Patienten von vermehrten Problemen, sich interpersonell abgrenzen zu können. Zudem zeigt sich sowohl für t2 als auch t3 ein signifikanter Zusammenhang mit kleiner Effektstärke in der Form, dass Patienten umso mehr das Erleben haben, die KBT-Stunde für sich nutzen zu können, je größer ihre Probleme sind, sich abgrenzen zu können. Dieser Zusammenhang erklärt aber nicht, weshalb die PTSD-Patienten gegenüber den anderen Patienten zu t3 die Gruppenstunde mehr für sich nutzen können.

Anmerkung
Die Autorin interpretiert diese Ergebnisse so, dass damit die Nutzen bringende Rolle der KBT-Gruppenbehandlung für PTSD-Patienten im Rahmen stationärer Psychotherapie gezeigt werden konnte. Einschränkend ist zu vermerken, dass nur erfasst wurde, ob Patienten in der Therapieanfangsphase vom subjektiven Erleben her die KBT-Gruppenbehandlung für sich nutzen konnten oder diese als nützlich beurteilten. Ob der KBT tatsächlich eine Nutzen bringende Rolle auch in Hinblick auf das Behandlungsergebnis zukommt, hätte ein anderes Untersuchungsdesign erforderlich gemacht. Zudem wurde nur teilweise die Hypothese der Autorin bestätigt, dass PTSD-Patienten dies in stärkerem Ausmaß als andere Patienten stationärer Psychotherapie tun. Die von der Autorin aufgestellten Hypothesen erscheinen in verschiedener Hinsicht als problematisch: (a) Es erfolgt z.T. keine adäquate Begründung, wenn z.B. bei der Hypothese 1 ausgeführt wird, dass die KBT ein geeignetes therapeutisches Angebot für PTSD-Patienten darstellt, aber offen bleibt, weshalb dies für Patienten mit anderen Diagnosen in geringerem Maße gelten soll. (b) Die Operationalisierung der Hypothesen weist teilweise Fehler auf, wenn z.B. bei Hypothese 3 ausgeführt wird, dass PTSD-Patienten ein geringeres körperbezogenes Selbsterleben als andere Patienten aufweisen, mit dem verwendeten SB-KBT-G aber der qualitative (positiv vs. negativ) und nicht der quantitative (stark vs. gering ausgeprägt) Aspekt des Selbsterlebens erfasst wird. (c) Es bleibt offen, weshalb bei einzelnen Persönlichkeitsvariablen angenommen wird, dass ihnen eine Funktion als Moderator bei anderen hingegen als Mediator zukommt. Die Beurteilung und Interpretation der beschriebenen Ergebnisse ist zudem dadurch erschwert, dass zum Teil wichtige Angaben fehlen. Da z.B. nicht aufgeführt wird, ob die Gruppe der PTSD-Patienten mit der Gruppe der anderen Patienten hinsichtlich der erhobenen sozio-demographischen Variablen vergleichbar war, ist unklar, ob die berichteten Unterschiede im Stundenerleben eigentlich damit zusammenhängen, dass sich in der Gruppe der PTSD-Patienten beispielsweise mehr Frauen befanden. Denn für den SB-KBT-G zeigte sich in einer großen Stichprobe, dass sich Frauen im Vergleich zu Männern in der KBT so erleben, dass sie die therapeutischen Angebote in stärkerem Maße für sich nutzen können, aber auch ein negativeres körperbezogenes Selbsterleben haben (Seidler et al., 2013b).