Sind Körperpsychotherapeuten anders? Therapeutisches Selbstverständnis von Therapeuten für Konzentrative Bewegungstherapie (KBT). Psychotherapeut, 48, 117-121.

Fragestellung / Hypothesen
KBT-Therapeuten werden mit Psychotherapeuten anderer Verfahren hinsichtlich folgender Fragen verglichen: (1) Welche theoretische Orientierung verfolgen KBT-Therapeuten in ihrer Entwicklung? (2) Welche therapeutischen Ziele sind für sie wesentlich? (3) Welche Haltungen werden von ihnen als bedeutsam für die therapeutische Beziehungsgestaltung angesehen?

Stichprobe
91 KBT-Therapeuten (82% Frauen) sowie zwei internationale Psychotherapeuten-Stichproben mit 1225 bzw. 2376 Psychotherapeuten (55% bzw. 57% Frauen).

Untersuchungsdesign
Internationale Fragebogenstudie.

Datenerhebungsverfahren
Der Fragebogen “Development of Psychotherapist Common Core Questionnaire (DPCCQ)” (Orlinsky et al., 1999).

Datenauswertungsverfahren
Deskriptivstatistische Auswertung.

Ergebnis
(ad 1) Wie Therapeuten anderer Verfahren sind KBT-Therapeuten meist in ihrer theoretischen Orientierung keine Puristen. Nur knapp ein Viertel von ihnen lässt sich einer “reinen” therapeutischen Orientierung zuordnen. Knapp die Hälfte von ihnen weist eine (humanistisch) modifizierte analytische Orientierung auf. Bei ihnen ist eine gleich große Tendenz wie bei anderen Psychotherapeuten zu verzeichnen, im Laufe ihrer beruflichen Laufbahn ihre ursprüngliche theoretische Orientierung zugunsten einer breiteren bzw. eklektischen Orientierung aufzugeben. (ad 2) Die von der Mehrzahl der KBT-Therapeuten (51% bis 66%) genannten Therapieziele (“starkes Selbstwert- und Identitätsgefühl”, “Integration unterdrückter oder abgetrennter Aspekte der Erfahrung”, “Entwicklung von Mut, sich auf neue oder bisher vermiedene Situationen einzulassen”) werden in dieser Kombination auch von Therapeuten mit analytisch-psychodynamischer oder humanistischer Orientierung genannt. Deutlich weniger als von diesen wird von KBT-Therapeuten “das Erleben von Gefühlen ganz zulassen” als wichtiges Therapieziel genannt (40% vs 22%).  (ad 3) Wie auch andere Psychotherapeuten möchten die meisten KBT-Therapeuten (über 70%) in ihrer Arbeit mit Patienten akzeptierend, tolerant, warmherzig, freundlich, engagiert, beteiligt, intuitiv, effizient und geschickt sein. Mehr als andere Psychotherapeuten streben sie gegenüber ihren Patienten sowohl eine beschützende (59% der KBT-Therapeuten) als auch kritische (55%) Haltung an (vs. 15% bis 49% der anderen Therapeuten). Eine rezeptive Haltung wird hingegen von ihnen weniger angestrebt (31% vs. 50% bis 69%). Mit den analytisch-psychodynamischen und humanistischen Therapeuten teilen KBT-Therapeuten die Betonung eines beteiligten und intuitiven Arbeitsstils (über 85%). Den kognitiv-behavioralen und systemisch orientierten Psychotherapeuten ähneln sie darin, dass sie ihren Patienten gegenüber freundlich sein möchten (89%), sie z.T. aber auch herausfordern (51%) bzw. fordern (32%) möchten. Anders als andere Psychotherapeuten erleben KBT-Therapeuten bei sich folgende Diskrepanz zwischen Ideal-Selbstbild und tatsächlichem therapeutischen Rollenverhalten: Sie sind stärker fordernder, pragmatischer und rezeptiver sowie weniger kritisch in der Beziehungsgestaltung gegenüber den Patienten als sie es von sich erwarten. Anders als Therapeuten anderer Verfahren haben KBT-Therapeuten weniger Zweifel hinsichtlich der eigenen therapeutischen Technik (Effizienz, Geschick und Feinsinnigkeit).

Anmerkung
Die Besonderheiten, die sich für die KBT-Therapeuten neben den überwiegenden Gemeinsamkeiten mit Therapeuten anderer Verfahren nachweisen lassen, werden in der Weise interpretiert, dass sie charakteristische Aspekte der KBT reflektieren (Körper- und Handlungsorientierung).

pdfDAKBT_Seidler_Schreiber_Willnow_Hamacher_Erbguth_Pfaefflin_2003.pdf