Die Herausgeber haben mit diesem Buch ein umfangreiches praxis-relevantes Grundlagenwerk zur stationären Psychotherapie vorgelegt, das in vier große Abschnitte eingeteilt ist.

Im ersten Abschnitt werden allgemeine Fragen und Themen der stationären psychotherapeutischen Behandlung diskutiert. Darin enthalten sind die gesellschaftliche Relevanz, theoretische Orientierungen und Behandlungskonzepte, aber auch Wirkungen und Nebenwirkungen stationärer Psychotherapie.

Der zweite Abschnitt befasst sich mit der Komplexität der stationären Behandlung in den verschiedenen therapeutischen Spezifizierungen und geht dabei besonders auf das multiprofessionelle Behandlungsteam mit seinen unterschiedlichen diagnostischen und koordinierenden Funktionen ein.

Im dritten Abschnitt werden die strukturellen Rahmenbedingungen einer stationären Behandlung diskutiert. Diese beinhalten Indikationsstellungen, Vorgespräche, Therapieverträge, Zielvereinbarungen und Therapieplanungen, das Setting von Einzel- und Gruppentherapien, Diagnostik und Dokumentation, Supervisionskonzepte, bis hin zum Entlassmanagement.

Der vierte - etwas kürzere Abschnitt - geht auf die ökonomischen Grundlagen und betriebswirtschaftlichen Aspekte, sowie die daraus resultierenden Leistungsanforderungen an einen Klinikbetrieb und deren Mitarbeiter*innen ein.

Für die Körperpsychotherapie ist das Kapitel „Bewegen und Wahrnehmen - Körperorientierte Therapien“ von Michael Hölzer und Norbert Heck ( S. 223 - 244) zu erwähnen, in dem besonders die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) und die Integrative Bewegungstherapie (IBT) als klinisch relevante körper- und bewegungstherapeutische Verfahren herausgestellt und anhand von Fallbeispielen erläutert werden. Dabei werden von den Autoren die Gemeinsamkeiten dieser beiden Ansätze betont. Für die KBT ist der offene Angebotscharakter und das situative therapeutische Vorgehen gesondert benannt. Die Ziele der KBT in der stationären Psychotherapie werden zusätzlich anhand von Informationen für Patient*innen übersichtlich dargestellt.

Das Buch ist für alle Beschäftigten in der stationären Psychotherapie der psychosomatischen oder psychiatrischen Kliniken eine grundlegende Orientierungshilfe und ermöglicht ein vertieftes Verständnis für die multiprofessionelle Zusammenarbeit in Organisationen. Theoretische und methodische Aspekte sind anhand von Fallbeispielen vertieft, so dass es sehr praxisnah orientiert und damit verständlich zu lesen ist. Es ist besonders den Kolleg*innen zu empfehlen, die sich neu in den klinischen Alltag einarbeiten. Umfangreiche Literaturangaben zu den Abschnitten ermöglichen eine Vertiefung zu allen Inhalten dieses Grundlagenwerkes.

627 Seiten, 79,99 €
ISBN 978-3-608-43289-3
Schattauer Verlag Stuttgart627 Seiten, 79,99 €

Verfasserin: Ute Backmann

Bei strahlendem Herbstwetter konnte die 42. Jahrestagung des DAKBT am 11.10.2018 eröffnet werden. Schon zum zweiten Mal fand die Tagung im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden statt.
Im Namen des Vorstands begrüßte Ute Backmann die 99 angereisten Teilnehmer*innen und bedankte sich beim Vorbereitungsteam Christa Baier, Dorothea Carl-Sulz, Birgit Engelhardt-Ottl, Anke Hamacher-Erbguth, Susanne Kollmar und Katharina Pfaller, sowie den Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle Birgit Rosa und Uschi Schönberger.

2018 Ute Backmann
Ute Backmann
2018 Vobe Gruppe
B. Engelhardt-Ottl, A. Hamacher-Erbguth, S. Kollmar, C. Baier, D. Carl-Sulz
 

Das Vorbereitungsteam stellte sich humorvoll mit seinen „verschiedenen Identitäten“ vor – Mütter, Schwestern, Selbständige, Frauen, Mitglieder und Therapeutinnen – und stimmte so direkt auf das Tagungsthema „Identität als lebenslanger Prozess“ ein: Das eigene Identitätsgefühl, was eine Person individuell ausmacht, wie Identität mit anderen verbindet und wie diese Identitäten entstehen.


Christa Baier stellte für die Tagung eine intensive und vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Thema in Aussicht.

2018 Ch.Baier
Ausgehend von entwicklungspsycho-logischen Fragestellungen der frühen Kindheit bis zur Altersphase, von soziologischen Aspekten und deren Auswirkungen bis hin zu Störungen der Identität und natürlich der Bedeutung von körperbezogenen Angeboten zeigte sich in den Vorträgen und Workshopthemen die hohe Bedeutung und die Komplexität des gewählten Tagungsthemas.

Über die Ursachen kollektiver Selbstentfremdung, die zur „normopathischen Gesellschaft“ führen referierte Hans-Joachim Maaz, Publizist und ehemaliger Chefarzt der Klinik für Psychotherapie / Psychoanalyse in Halle/ Saale zum Auftakt der Jahrestagung.

2018 Hans Joachim Maaz
Sein Vortrag bot durch seine Erfahrungen in den politischen Systemen der BRD und der DDR vor und nach der Wende besondere Einblicke in die sich durch soziologische und gesellschaftliche Faktoren ergebenden Identitäten und Identitätsstörungen. Hans-Joachim Maaz beleuchtete die Zusammenhänge zwischen individueller Identität und gesellschaftlicher Identität und die Herausforderung, das eigene Leben in diesem Wechselspiel zu gestalten.

Er berichtete von seinen Forschungen über frühe Beziehungserfahrungen, die er nach mütterlichen und väterlichen Qualitäten differenziert und dementsprechend „Mütterlichkeitsstörungen“ oder „Väterlichkeitsstörungen“ als Auslöser oder Ursache für spätere Identitätsstörungen sieht. Diese Auswirkungen beschrieb Hans-Joachim Maaz als den Ausgangspunkt für narzisstische Problematiken, die letztendlich zu einer narzisstischen – normopathischen- Gesellschaft führen, die durch Leistung, Betäubung oder Ablenkung die Störungen kompensiert.Da oftmals nur über die Körperwahrnehmungen ein Anschluss an die Erfahrungen der präverbalen Zeit gelingen könne, stellte der Referent die Bedeutung der Körperpsychotherapie heraus.
Nach dem Vortrag entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über Rollenverteilungen, Betreuungsformen von Kleinkindern und die Aufgaben der psychotherapeutischen Vereinigungen.


2018 Sabine Wessendorf
Die Morgeneinstimmung am Freitag und Samstag wurde von Sabine Wessendorf übernommen.

Der Referent des Vortrags am zweiten Tagungstag, Thomas Harms, Diplom-Psychologe aus Bremen, leitet das dortige Zentrum für primäre Prävention und Körperpsychotherapie ZePP, sowie die Schreiambulanz. Er entwickelte mit der EEH (Emotionelle Erste Hilfe) eine körperbasierte Intervention für die Eltern-Säuglings-Therapie. Dieser Ansatz unterstützt Eltern und Kindern bei Schwierigkeiten in ihren frühen Interaktionen durch den Einsatz von Körperspannung und Atmung.

In seinem Vortrag über bindungsorientierte Körperpsychotherapie und die daran anschließenden Möglichkeiten für die Erwachsenenpsychotherapie stellte Thomas Harms die frühesten Regulationsprozesse in den Mittelpunkt. Mit Hilfe von Videobeispielen aus seiner Praxis wurde eindrucksvoll veranschaulicht, wie die Körperspannung bei Babys als Bindungsversuch im Sinne von Stabilisierung und Haltsuchen wahrgenommen werden kann. In den Filmausschnitten und den fesselnden Ausführungen von Thomas Harms wurde insbesondere auch die Rolle der Atemregulation als Signal für Bindungssicherheit deutlich gemacht.

2018 Thomas Harms
Die Beobachtungen aus der Eltern-Baby-Therapie unterstützen die Bedeutung des Körpererlebens als Folge von Bindungserfahrungen in der pulsatorischen Dynamik von Selbstbeziehung und Weltbeziehung für den Therapieprozess von Erwachsenen. Um die körperbasierte Selbstanbindung der Patienten auf unterschiedlichen Ebenen des Körperselbsterlebens anzuregen, können hier Therapeuten - ähnlich wie Eltern - in der

Funktion eines stellvertretenden emotionalen Regulationssystems stehen. Anknüpfungspunkte gibt es auf der Suche nach den körperlichen Ausdrucksformen, die die frühen Erfahrungen widerspiegeln und deren Modifikation, in dem in der Körperpsychotherapie die Patienten dabei unterstützt werden, die Fähigkeit zur körperlichen Selbstbeobachtung weiter zu entwickeln, das eigene Regulationssystem auszubauen, Erregung zu modulieren und Entspannungszustände zu erleben. Die Zuhörerschaft war von den durch Thomas Harms vermittelten Parallelen des kindlichen und erwachsenen Körperausdrucks und -erlebens fasziniert und dankte mit langem Applaus.
Im anschließenden Vertiefungsworkshop demonstrierte Thomas Harms seine Arbeitsweise unterstützt von einer Teilnehmerin. Die selbstberuhigende Wirkung der Atemregulation konnten alle Anwesenden anschließend in einer geleiteten Selbsterfahrung zu zweit erproben.


Sehr gut besucht wurden am Freitagnachmittag wieder die offenen Angebote.
Beim philippinischen Tanz „Eskrima“ erprobten die Teilnehmer*innen angeleitet von Beate Rombach Grenzen und Raumerfahrung mit dem Rattanstock in der freien Natur. Intensive und spielerische Momente im unmittelbaren Kontakt konnten die Teilnehmer*innen bei einer Einführung in den Tango Argentino mit Claudia Krüger erleben. Welche Möglichkeiten das gemeinsame Tanzen des Tango Argentino zur therapeutischen Bearbeitung grundlegender Paarthemen bietet, wurde in einem dritten offenen Angebot von Gunhild Patzwaldt und ihrer Kollegin Eliane Riegner lebendig vermittelt.

2018 Rombach
B. Rombach
2018 Claudia Krüger
C. Krüger
2018 G.Patzwald E.Rieger Tango
E. Riegener, G. Patzwald

Auf der Generalversammlung des EAKBT (Europäischer Arbeitskreis für KBT) am Freitag berichtete Maria Steiner als Delegierte des DAKBT im EAKBT über das Treffen der EAP (european association for psychotherapy) in Wien.

2018 Steiner EAKBT
In allen Verbänden soll mehr für den Erwerb des ECP (european certificate of psychotherapy) geworben werden. Erfreulicherweise hat die KBT infolge der Forschungsarbeiten im DAKBT einen hohen Bekanntheitsgrad im EAP und EABP (european assocation for body-psychotherapy) und ist sehr anerkannt. Maria Steiner wurde einstimmig zur neuen Präsidentin des EAKBT gewählt, nachdem Claudia Roth vom Schweizer CHKBT um Ablösung in ihrem Amt gebeten hatte.

Der Freitagabend bot eine märchenhafte Überraschung: – das Vorbereitungsteam konnte die Märchenerzählerin Gudrun Rathke aus Frankfurt gewinnen. Frau Rathke schlug die zahlreichenden Anwesenden mit ihrer Erzählfreude und Spielkunst in ihren Bann. Das Publikum ließ sich von den fein gesponnenen Geschichten auf die Identitätssuche und die Wandlungsprozesse der Protagonisten in verschiedenen Märchen mitnehmen und verzaubern, anrühren und zum Lachen bringen und bedankte sich begeistertem Applaus bei Frau Rathke und dem Vorbereitungsteam.


Wolfgang Wöller, langjähriger Leiter der Rhein-Klinik Bad Honnef und Initiator eines Projekts zur Traumahelferausbildung in Ruanda, referierte am Samstag zum Thema ressourcenbasierte Beziehungsgestaltung bei Patienten mit traumabedingten Störungen der Identität.

2018 W.Wöller
Ausgehend von seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz in der Arbeit mit Patienten mit schweren Borderline-Persönlich-keitsstörungen und schweren dissoziativen Störungen stellte er dar, wie die Beziehungsgestaltung bei Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen häufig durch deren unbewusste Assoziation von relativ normalen Alltagsereignissen mit Traumatisierungsmustern aus der Kindheit belastet ist. Dieser Traumaaspekt und die

durch ein verstärktes Bedrohungserleben charakterisierte Wahrnehmung werden laut Wolfgang Wöller in der Therapie für Borderline-Patienten bisher zu wenig beachtet. Die Identitätsstörungen in Verbindung mit unbewusst aufgeladenen Alltagsstimuli zeigen sich unter anderem in undifferenzierten Affektzuständen, die starke Spannungszustände zur Folge haben welche wiederum durch die Patienten als Lösungsversuch mit selbstschädigendem Verhalten beantwortet werden. In seiner Beschreibung eines phasenorientierten Therapiekonzepts betonte der Referent die Wichtigkeit von antiregressiven Beziehungsangeboten durch Zusammenarbeit mit der Erwachsenenebene der funktionalen Alltagspersönlichkeit des Klienten als Grundlage der therapeutischen Arbeitsbeziehung. Aufgabe des Therapeuten ist hier eine externe Emotionsregulation durch reale Präsenz, transparente Handlungen und das Schaffen von Sicherheit und Kontrollerfahrungen für die Patienten. Dies fordert ein verlangsamtes Vorgehen um den Erwachsenenanteil der Patienten zu fördern und nicht zu überfordern.

2018 Publikum
Die Vortragszeit reichte nicht aus, um mit dem spannenden Thema zu Ende zu kommen. In der anschließenden Diskussion wurden vor allem Anwendungsmöglichkeiten für die Gruppentherapie diskutiert.

Am Samstagnachmittag fand die gut besuchte Mitgliederversammlung des Vereins statt. Alle Arbeitsgruppen und Gremien des DAKBT präsentierten ihre vielfältigen Aktivitäten. Unter anderem wurde das KBT-Video gewürdigt, das in YouTube und auf der Homepage die Arbeitsweise der KBT zeigt. Erfreulicherweise stellte sich eine neue Arbeitsgruppe vor, die das Format „KBT-Zukunftswerkstatt“ für Februar 2020 in der Rheinklinik vorbereitet.

2018 MV
2018 Zukunftswerkstatt
S. Kümmel, H. Süß, S. Wagner, A. Balcerzak, T. Pannek

2018 LB Verabschiedung
Der Vorstand berichtete von der Verabschiedung der vier Lehrbeauftragten Anemone Carl, Heidi Lechler, Birgit Kluck-Puttendörfer und Dorothée Schmitt in den Ruhestand und dankte ihnen noch einmal für die von ihnen wertvolle geleistete Arbeit.

Zum Festabend trafen sich wie jedes Jahr mit dem extra aus Freiburg angereisten DJ die tanzfreudigen Mitglieder des Vereins um ordentlich Glückshormone beim nahezu pausenlosen Tanzen auszuschütten. Die gute Stimmung und Bewegungsfreude der Anwesenden von wildem Hüpfen, Schütteln, orientalischen Tänzen bis hin zu Tango-Einlagen, lockten sogar die Gäste einer parallel im Haus stattfindenden Familienfeier an, die zum Teil begeistert mittanzten.


Den Schlussvortrag der Jahrestagung hielt am Sonntag Karin Schreiber-Willnow mit dem interessanten Titel „Brüche, Sprünge und Spiralen – Identitätsentwicklung in der zweiten Lebenshälfte“ Phänomenologisch näherte sich Karin Schreiber-Willnow zunächst den Brüchen, Sprüngen und Spiralen der zweiten Lebenshälfte und lud die Zuhörerschaft durch Wortspielereien, Zitate und eindrückliche Bildern ein, mit ihr auf eine Entdeckungsreise in diesen Lebensabschnitt zu gehen.

2018 K.Schreiber Willnow
Der Vortrag beleuchtete leichtfüßig und tiefsinnig Gegensatzpaare wie Sichtweisen des Alters als „Zumutungsprozess“ oder als „Entwicklungsaufgabe“ und Anforderungen im Alter von „Leben loslassen“ bis „Leben ausschöpfen“. Die Bedeutung des Körpers als „Organisator der Entwicklung“ oder „letzten Verbündeten“ schlug den Bogen zu körperorientierten Ansätzen und konkreten Erfahrungen mit KBT-Angeboten mit denen den Herausforderungen des Alterns

begegnet werden könnte. Was bisher nicht nötig war – zum Beispiel Hilfe anzunehmen - kann durch die KBT eine gute Erfahrung werden. Was jetzt so nicht mehr geht, kann anders gehen. KBT belebt und zeigt andere Wege auf– und die belebte und berührte Zuhörerschaft nahm den positiven Ausblick auf das Alter begeistert auf.

In sieben Workshops hatten die Teilnehmer*innen die Gelegenheit unterschiedliche Aspekte von Identitätsentwicklung und Identitätsstörungen zu vertiefen und mit KBT-Methoden zu untersuchen.

2018 Waltraut Betker WS 1
WS 1: „Spielen ist mehr als Spaß haben“ Waltraut Betker
2018 N.Freudenberg R.Brückl WS2
WS 2: „Ich Mann – Du Frau“ oder…? Nina Freudenberg und Roland Brückl
Epner
WS 3: „Therapeutische Identität im Prozess“ Martina Fuhrmann-Hüper und Anton Szugfil
2018 Kathinka Kintrup
WS 4: „Was gibt Halt in Identitätskrisen? Struktur!“ Kathinka Kintrup
Epner
WS 5: „Wege zur Entwicklung der eigenen Identität“ Silvia Maag
Ralf Nickel 2
WS 6: „Trauma und Identität- Und auf einmal ist alles anders“ Maria Steiner

 

Mit großem Beifall für das Vorbereitungsteam ging eine intensive und anregende Tagung zu Ende. Die nächste Jahrestagung wird vom 10. – 13.10.2019 wieder in Wiesbaden stattfinden.

Bericht: Susanne Kucher; Fotos: Manuela Engel

 


 

Andrea Plank-Matias und Marina Müller haben im neuen Buch von Karl Heinz Brisch (Hrsg.), „Die Macht von Gruppenbindungen“ (Klett Cotta 2018), einen Artikel zur Arbeit mit KBT in der Gruppe während der stationären Behandlung von früh traumatisierten Kindern veröffentlicht. Der Beitrag entstand aus einem Vortrag im Rahmen der internationalen Bindungskonferenz 2017 in Ulm, die „Die Macht von Gruppenbindungen“ zum Thema hatte. Auf der Konferenz wurde darüber referiert und diskutiert, wie Bindungserfahrungen in Gruppen, etwa der erweiterten Familie, im Kindergarten, der Schule, Peergroups, Berufsleben, Religionsgemeinschaften etc. als Ressource und emotionale Sicherheit erlebt werden, aber auch gestört sein können.
Dabei stellten sich Fragen wie: Welche Faktoren schützen? Wie entsteht Radikalisierung in Gruppen? Wie kann man neue, sichere Beziehungen in Gruppen aufbauen? Wie kann sich zu Adoptiv- und Pflegeeltern eine sichere Bindung mit einem Kind mit Gewalterfahrungen entwickeln? …

Der Beitrag von Marina Müller und Andrea Plank-Matias fokussiert die Fragestellung, wie neue, sichere Beziehungen in Gruppen trotz traumatischer Erfahrungen und früher Störung aufgebaut und gehalten werden können.
Dabei wird über die KBT-Arbeit in einer halboffenen Gruppe mit früh- und bindungsgestörten, traumatisierten Kindern und Jugendlichen im klinischen Setting berichtet. Die beschriebenen Beispiele aus den Gruppentherapien fanden im Rahmen einer umfassenden bindungsorientierten, psycho- und traumatherapeutischen Behandlung im milieutherapeutischen Setting statt. Die behandelten Kinder sind im Schnitt zwischen 8 und 14 Jahre alt. Ziele der Gruppentherapie sind Stabilisierung, Ressourcenaktivierung und Begleitung auf dem auf dem Weg zur Gruppenfähigkeit. Es wird ein Konzept aufgezeigt, wie mit Hilfe von konkreten Zielen in der KBT-Arbeit das vorgegebene, umfassende Ziel der Gruppenfähigkeit umgesetzt werden kann.

Diese Ziele sind:
1. Ermöglichung neuer Beziehungserfahrungen
2. Unterstützung der Kinder/Jugendlichen, ihren Körper trotz der Traumatisierung als Ressource zu erfahren (neue Körpererfahrungen)
3. Förderung der Selbst-/Affektregulation und Empathiefähigkeit der Kinder
4. Stärkung der Kinder in ihrer Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit
5. Umgang mit schwierigem grenzverletzendem, aggressivem Verhalten

Entscheidend hierfür ist die Schaffung eines sicheren, strukturierten Rahmens durch den schrittweisen Aufbau des Therapieprozesses und die Erfahrung einer sicheren Bindung in der therapeutischen Beziehung.

 


 

Sehen Sie hier eine Einführung in die Arbeitsweise der Konzentrativen Bewegungstherapie

Die 20. und letzte Forschungswerkstatt des DAKBT in Bad Honnef mit dem Titel „Perspektiven der (Körper-) Psychotherapie“ begann am Freitagnachmittag in gewohnter Weise mit der Begrüßung durch Jutta Kruse für die Rhein-Klinik und Rosemarie Gässler für den DAKBT. Es hatten sich über 80 TagungsteilnehmerInnen angemeldet, so dass die Forschungswerkstatt zum ersten Mal in die große Halle nach nebenan umzog. Jutta Kruse würdigte das Vergangene, nämlich 14 Jahre KBT-Forschungswerkstatt in der Rheinklinik mit vielen unterschiedlichen Vortragenden, Veröffentlichungen und Öffentlichkeitsarbeit: die Rhein-Klinik wurde von innen sichtbar gemacht. Weiterhin wies sie darauf hin, dass der Bedarf an KBT-TherapeutInnen steigen wird, da durch das neue Abrechnungssystem PEPP (Pauschaliertes Entgelt Psychiatrie/Psychosomatik) die KBT als Spezialtherapie ein fester Bestandteil der psychosomatischen Komplexversorgung geworden ist.

K P Seidler
K.-P. Seidler
R. Schrack Frank
R. Schrack-Frank

Klaus-Peter Seidler von der DAKBT-Forschungsgruppe führte anschließend in das Thema ein und gab dabei einen kurzen Überblick über das Programm der folgenden zwei Tage. Er schaute auch noch einmal zurück auf seinen fiktiven Brief an den Vorstand von 2008 mit Visionen für die Zukunft und überprüfte diese, inwieweit seine damaligen Vorhersagen eingetreten sind. Wichtig war ihm hierbei zu erwähnen, dass die Forschungsgruppe weiter existieren wird, es sich aber noch zeigen muss, wie es mit der Forschung im DAKBT in der Zukunft weitergehen wird. Die Moderation der Tagung übernahm wie gewohnt Regina Schrack-Frank.

Röhricht
F. Röhricht
B Strauß
B. Strauß

Den Anfang machte Frank Röhricht mit seinem Vortrag „Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für die Körperpsychotherapie – die internationale Perspektive“. Er plädierte dafür, überhaupt erst einmal eine gemeinsame Innenperspektive für die Körperpsychotherapie (KPT) zu entwickeln, die Praxis, Theorie und Forschung miteinschließt. In seinem Vortrag führte er dann folgende Aspekte näher aus: die neuen theoretischen Paradigmen wie bspw. das Embodiment, eine Systematik der KPT, aktuelle Forschungsergebnisse sowie die berufspolitische Verortung der KPT. Abschließend stellte er seine Überlegungen zum „Quo vadis“ der KPT zur Diskussion.

Nach einer kurzen Pause folgte Bernhard Strauß mit seinem Vortrag über die „Aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen für die Psychotherapie. Wo gibt es einen Platz für die Körperpsychotherapie?“. Er wies erst einmal darauf hin, dass Psychotherapie (relativ) wirksam ist, dass sich aber TherapeutInnen in ihrer Effektivität deutlich unterscheiden und dass die Technik eher einen geringen Einfluss zu haben scheint. In der Psychotherapieforschung scheint es zu einer Trendwende gekommen zu sein, welche mehr den Blick auf die Praxis und neuerdings auch auf die PatientInnen selbst wirft. Es kommen vermehrt Feedbackfragebögen zum Einsatz, bei denen es darum geht, von den PatientInnen eine direkte Rückmeldung zum Therapieverlauf zu erhalten. Studien zeigen, dass TherapeutInnen und PatientInnen die Therapie häufig unterschiedlich empfinden, erleben und einschätzen. Der Körperpsychotherapie empfahl er im Zuge der geplanten Reform der akademischen Ausbildung zum Psychotherapeuten, einen Fuß in die Ausbildung zu bekommen. Zum Ende seines Vortrags formulierte er klar, dass momentan die Körper- und Bewegungstherapie im teilstationären und stationären Klinikbereich nicht wegdenkbar ist.

Schreiber Willnow
K. Schreiber-Willnow
Plenum 4
Plenum

Karin Schreiber-Willnow fragte in ihrem Beitrag „Wie müssen wir uns verändern, um uns treu zu bleiben? Fachliche und berufspolitische Perspektiven der Konzentrativen Bewegungstherapie“. Dabei blickte sie zurück auf 20 Jahre Forschungswerkstatt und stellte Überlegungen an, in welcher Art und Weise dieses Format weitergeführt aber auch verändert werden kann. Sie ordnete die Werkstatt als eine „Communitiy of Practice“ ein, die als Einheit konstant bleibt, sich aber in ihrer Praxis verändert. Die Mitgliederanzahl im DAKBT und auch die jährlichen Neueintritte blieben konstant, das Durchschnittsalter derer, die mit der Weiterbildung beginnen, wurde aber höher. Durchschnittlich sind momentan die Menschen, die den Weg zur KBT-Weiterbildung finden, 46 Jahre alt. Dies könnte bedeuten, dass es bei der Entscheidung zur KBT-Weiterbildung nicht mehr um einen Berufswunsch oder Berufswechsel geht, sondern eher um eine Erweiterung und Vertiefung für den bestehenden Beruf sowie um eine Persönlichkeitsentwicklung. Des Weiteren stellte sie die Frage, ob wir uns weiter um wissenschaftliche Anerkennung bemühen sollen und ob die Weiterbildung in einer veränderten Bildungslandschaft auch einer Veränderung bedarf. Was zum Beispiel brauchen jüngere KBT-Interessierte? Die geplante Kleingruppenarbeit musste aufgrund der etwas weit fortgeschrittenen Zeit mit in die Pause genommen werden, so dass die Impulse aus den vorangegangenen Vorträgen in eher lockeren Gesprächen bei Kaffee und Gebäck aufgegriffen wurden.

Eberhard Kächele
M. Eberhard-Kächele
Plenum 1
Plenum

Den Abschluss des ersten Werkstatttages bildete Marianne Eberhard-Kächele: „Traumatherapie als Herausforderung für die Körperpsychotherapie“. Sie gab einen kurzen Überblick über die verschiedenen Arten von Traumata und ihre Folgen und wies darauf hin, dass sich die Körperpsychotherapie in der Traumabehandlung in einem Dilemma befindet, da der Körper der Tatort mit vielfältigen Folgen ist. Gleichzeitig sei die KPT aber auch eine Chance, denn es handele sich um einen ganz besonderen Zugang zu den Schlüsselsymptomen. Wichtig sei die größtmögliche Kontrolle, Sicherheit und Mitbestimmung und die Anerkennung des Leids und nicht die Wiedergutmachung.

 

FoWe Gruppe Blumen

Dank an die Forschungsgruppe

 

Nach einem gemeinsamen Abendessen würdigten Ute Backmann und Clara Scheepers-Assmus die Arbeit der Forschungsgruppe, die 20 Jahre diese Werkstatt geplant und durchgeführt hatte, mit vielen Dankesworten und einem wunderschönen Blumenstrauß für jeden. Nicht nur die aktuelle Forschungsgruppe wurde dabei bedacht, sondern auch die Initiatoren Linda Leopold-Lackner und Roland Brückl sowie die langjährige Moderatorin Regina Schrack-Frank. Wer nun nach diesem langen und vollen Tag noch etwas Bewegung brauchte, ging in den Gewölbekeller zum Tanzen.

Epner
A. Epner
Ralf Nickel 2
R. Nickel

Ralf Nickel startete in den Samstagmorgen mit seinem Vortrag „Aktuelle Entwicklungen in der psychosomatischen Schmerztherapie – und was kann die KBT dazu beitragen“. Er machte den engen Zusammenhang von Emotionen und Schmerzen deutlich und kritisierte die Dominanz der Schmerzmittel in der Behandlung. Nickel betonte die Bedeutung der KBT in der Behandlung von somatoformen Schmerzerkrankungen. Er bemängelte die nicht ausreichende wissenschaftliche Evidenz, war aber überzeugt, dass es möglich ist, die Wirksamkeit von KBT zu belegen, und verwies dabei auf eine Studie, bei der 50 % der Patienten nach einer intensiven körperpsychotherapeutischen Behandlung schmerzfrei waren. Wichtig u.a. seien das Experimentieren und der Erfahrungsraum in der KBT, Gefühle wahrzunehmen und zu differenzieren sowie die Möglichkeit der Selbstwirksamkeitserfahrung. Eine Grundvoraussetzung für eine gute Behandlung sei aber die Zusammenarbeit im Team und die individualisierte Behandlung.

Silja Falkenhagen
S. Falkenhagen
Ralf Nickel
R. Nickel

Im Anschluss ergänzte Silja Falkenhagen diese theoretischen Darstellungen mit einem Bericht über ihre praktischen Erfahrungen in der Behandlung von SchmerzpatientInnen. Sie machte deutlich, was für die therapeutische Haltung und die therapeutische Beziehung wichtig ist und gab zum Schluss einige ganz konkrete Hinweise für das Vorgehen in der KBT mit PatientInnen, die an chronischen Schmerzen leiden.

Klaus-Peter Seidler berichtete von den ersten Ergebnissen der aktuellen Studie der Forschungsgruppe. Es geht um die Entwicklung eines neuen Therapiebeurteilungsfragebogens, bei dem es sowohl um die Wirkfaktoren als auch um die Wirksamkeit der KBT-Gruppenbehandlung aus PatientInnensicht geht. Es wird zum Ende der Therapie erfasst, was den PatienInnen in der KBT geholfen hat und was bedeutsam für sie war. Es zeigt sich, dass PatientInnen in ihrer Beurteilung der KBT-Gruppenbehandlung sowohl verfahrensbezogene Aspekte (positive Effekte bzgl. des Körpererlebens, mit der KBT etwas anfangen können) als auch verfahrensübergreifende Aspekte (Erfahrungen mit der Gruppe und den Therapeuten, Selbstwirksamkeitserleben) berücksichtigen und unterscheiden.

Plenum KreisFishbowl

Den Abschluss der Werkstatt bildete ein Fishbowl, bei dem es noch einmal einen Rückblick auf 20 Jahre Forschungswerkstatt gab, aber auch einen Ausblick, wie es weitergehen könnte. Einige derjenigen, die in den letzten Jahren an der Forschungswerkstatt beteiligt waren, kamen zu Wort und ließen die Zuhörer an ihren Erfahrungen und Erinnerungen teilhaben. Am Ende des Fishbowls ergriffen einige aus dem Kreis der TagungsteilnehmerInnen das Wort, die Lust haben, die Tradition der Werkstatt in irgendeiner Weise fortzuführen. Wir sind gespannt und danken an dieser Stelle noch einmal allen WerkstattteilnehmerInnen für ihre Treue und aktive Teilnahme in den vergangenen Jahren.

Text: Alexandra Epner, Swantje Grützmacher
Bilder:  Andrea Balcerzak, Almut Krämer

 


 

vom 12. bis 15.Oktober 2017 in Wiesbaden