Bericht von der Internationalen Fachtagung für KBT vom 11.-14.10.2018 in Wiesbaden
Bei strahlendem Herbstwetter konnte die 42. Jahrestagung des DAKBT am 11.10.2018 eröffnet werden. Schon zum zweiten Mal fand die Tagung im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden statt.
Im Namen des Vorstands begrüßte Ute Backmann die 99 angereisten Teilnehmer*innen und bedankte sich beim Vorbereitungsteam Christa Baier, Dorothea Carl-Sulz, Birgit Engelhardt-Ottl, Anke Hamacher-Erbguth, Susanne Kollmar und Katharina Pfaller, sowie den Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle Birgit Rosa und Uschi Schönberger.
Das Vorbereitungsteam stellte sich humorvoll mit seinen „verschiedenen Identitäten“ vor – Mütter, Schwestern, Selbständige, Frauen, Mitglieder und Therapeutinnen – und stimmte so direkt auf das Tagungsthema „Identität als lebenslanger Prozess“ ein: Das eigene Identitätsgefühl, was eine Person individuell ausmacht, wie Identität mit anderen verbindet und wie diese Identitäten entstehen.
Christa Baier stellte für die Tagung eine intensive und vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Thema in Aussicht.
Über die Ursachen kollektiver Selbstentfremdung, die zur „normopathischen Gesellschaft“ führen referierte Hans-Joachim Maaz, Publizist und ehemaliger Chefarzt der Klinik für Psychotherapie / Psychoanalyse in Halle/ Saale zum Auftakt der Jahrestagung.
Er berichtete von seinen Forschungen über frühe Beziehungserfahrungen, die er nach mütterlichen und väterlichen Qualitäten differenziert und dementsprechend „Mütterlichkeitsstörungen“ oder „Väterlichkeitsstörungen“ als Auslöser oder Ursache für spätere Identitätsstörungen sieht. Diese Auswirkungen beschrieb Hans-Joachim Maaz als den Ausgangspunkt für narzisstische Problematiken, die letztendlich zu einer narzisstischen – normopathischen- Gesellschaft führen, die durch Leistung, Betäubung oder Ablenkung die Störungen kompensiert.Da oftmals nur über die Körperwahrnehmungen ein Anschluss an die Erfahrungen der präverbalen Zeit gelingen könne, stellte der Referent die Bedeutung der Körperpsychotherapie heraus.
Nach dem Vortrag entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über Rollenverteilungen, Betreuungsformen von Kleinkindern und die Aufgaben der psychotherapeutischen Vereinigungen.
Der Referent des Vortrags am zweiten Tagungstag, Thomas Harms, Diplom-Psychologe aus Bremen, leitet das dortige Zentrum für primäre Prävention und Körperpsychotherapie ZePP, sowie die Schreiambulanz. Er entwickelte mit der EEH (Emotionelle Erste Hilfe) eine körperbasierte Intervention für die Eltern-Säuglings-Therapie. Dieser Ansatz unterstützt Eltern und Kindern bei Schwierigkeiten in ihren frühen Interaktionen durch den Einsatz von Körperspannung und Atmung.
In seinem Vortrag über bindungsorientierte Körperpsychotherapie und die daran anschließenden Möglichkeiten für die Erwachsenenpsychotherapie stellte Thomas Harms die frühesten Regulationsprozesse in den Mittelpunkt. Mit Hilfe von Videobeispielen aus seiner Praxis wurde eindrucksvoll veranschaulicht, wie die Körperspannung bei Babys als Bindungsversuch im Sinne von Stabilisierung und Haltsuchen wahrgenommen werden kann. In den Filmausschnitten und den fesselnden Ausführungen von Thomas Harms wurde insbesondere auch die Rolle der Atemregulation als Signal für Bindungssicherheit deutlich gemacht.
Funktion eines stellvertretenden emotionalen Regulationssystems stehen. Anknüpfungspunkte gibt es auf der Suche nach den körperlichen Ausdrucksformen, die die frühen Erfahrungen widerspiegeln und deren Modifikation, in dem in der Körperpsychotherapie die Patienten dabei unterstützt werden, die Fähigkeit zur körperlichen Selbstbeobachtung weiter zu entwickeln, das eigene Regulationssystem auszubauen, Erregung zu modulieren und Entspannungszustände zu erleben. Die Zuhörerschaft war von den durch Thomas Harms vermittelten Parallelen des kindlichen und erwachsenen Körperausdrucks und -erlebens fasziniert und dankte mit langem Applaus.
Im anschließenden Vertiefungsworkshop demonstrierte Thomas Harms seine Arbeitsweise unterstützt von einer Teilnehmerin. Die selbstberuhigende Wirkung der Atemregulation konnten alle Anwesenden anschließend in einer geleiteten Selbsterfahrung zu zweit erproben.
Sehr gut besucht wurden am Freitagnachmittag wieder die offenen Angebote.
Beim philippinischen Tanz „Eskrima“ erprobten die Teilnehmer*innen angeleitet von Beate Rombach Grenzen und Raumerfahrung mit dem Rattanstock in der freien Natur. Intensive und spielerische Momente im unmittelbaren Kontakt konnten die Teilnehmer*innen bei einer Einführung in den Tango Argentino mit Claudia Krüger erleben. Welche Möglichkeiten das gemeinsame Tanzen des Tango Argentino zur therapeutischen Bearbeitung grundlegender Paarthemen bietet, wurde in einem dritten offenen Angebot von Gunhild Patzwaldt und ihrer Kollegin Eliane Riegner lebendig vermittelt.
Auf der Generalversammlung des EAKBT (Europäischer Arbeitskreis für KBT) am Freitag berichtete Maria Steiner als Delegierte des DAKBT im EAKBT über das Treffen der EAP (european association for psychotherapy) in Wien.
Der Freitagabend bot eine märchenhafte Überraschung: – das Vorbereitungsteam konnte die Märchenerzählerin Gudrun Rathke aus Frankfurt gewinnen. Frau Rathke schlug die zahlreichenden Anwesenden mit ihrer Erzählfreude und Spielkunst in ihren Bann. Das Publikum ließ sich von den fein gesponnenen Geschichten auf die Identitätssuche und die Wandlungsprozesse der Protagonisten in verschiedenen Märchen mitnehmen und verzaubern, anrühren und zum Lachen bringen und bedankte sich begeistertem Applaus bei Frau Rathke und dem Vorbereitungsteam.
Wolfgang Wöller, langjähriger Leiter der Rhein-Klinik Bad Honnef und Initiator eines Projekts zur Traumahelferausbildung in Ruanda, referierte am Samstag zum Thema ressourcenbasierte Beziehungsgestaltung bei Patienten mit traumabedingten Störungen der Identität.
durch ein verstärktes Bedrohungserleben charakterisierte Wahrnehmung werden laut Wolfgang Wöller in der Therapie für Borderline-Patienten bisher zu wenig beachtet. Die Identitätsstörungen in Verbindung mit unbewusst aufgeladenen Alltagsstimuli zeigen sich unter anderem in undifferenzierten Affektzuständen, die starke Spannungszustände zur Folge haben welche wiederum durch die Patienten als Lösungsversuch mit selbstschädigendem Verhalten beantwortet werden. In seiner Beschreibung eines phasenorientierten Therapiekonzepts betonte der Referent die Wichtigkeit von antiregressiven Beziehungsangeboten durch Zusammenarbeit mit der Erwachsenenebene der funktionalen Alltagspersönlichkeit des Klienten als Grundlage der therapeutischen Arbeitsbeziehung. Aufgabe des Therapeuten ist hier eine externe Emotionsregulation durch reale Präsenz, transparente Handlungen und das Schaffen von Sicherheit und Kontrollerfahrungen für die Patienten. Dies fordert ein verlangsamtes Vorgehen um den Erwachsenenanteil der Patienten zu fördern und nicht zu überfordern.
Am Samstagnachmittag fand die gut besuchte Mitgliederversammlung des Vereins statt. Alle Arbeitsgruppen und Gremien des DAKBT präsentierten ihre vielfältigen Aktivitäten. Unter anderem wurde das KBT-Video gewürdigt, das in YouTube und auf der Homepage die Arbeitsweise der KBT zeigt. Erfreulicherweise stellte sich eine neue Arbeitsgruppe vor, die das Format „KBT-Zukunftswerkstatt“ für Februar 2020 in der Rheinklinik vorbereitet.
Zum Festabend trafen sich wie jedes Jahr mit dem extra aus Freiburg angereisten DJ die tanzfreudigen Mitglieder des Vereins um ordentlich Glückshormone beim nahezu pausenlosen Tanzen auszuschütten. Die gute Stimmung und Bewegungsfreude der Anwesenden von wildem Hüpfen, Schütteln, orientalischen Tänzen bis hin zu Tango-Einlagen, lockten sogar die Gäste einer parallel im Haus stattfindenden Familienfeier an, die zum Teil begeistert mittanzten.
Den Schlussvortrag der Jahrestagung hielt am Sonntag Karin Schreiber-Willnow mit dem interessanten Titel „Brüche, Sprünge und Spiralen – Identitätsentwicklung in der zweiten Lebenshälfte“ Phänomenologisch näherte sich Karin Schreiber-Willnow zunächst den Brüchen, Sprüngen und Spiralen der zweiten Lebenshälfte und lud die Zuhörerschaft durch Wortspielereien, Zitate und eindrückliche Bildern ein, mit ihr auf eine Entdeckungsreise in diesen Lebensabschnitt zu gehen.
begegnet werden könnte. Was bisher nicht nötig war – zum Beispiel Hilfe anzunehmen - kann durch die KBT eine gute Erfahrung werden. Was jetzt so nicht mehr geht, kann anders gehen. KBT belebt und zeigt andere Wege auf– und die belebte und berührte Zuhörerschaft nahm den positiven Ausblick auf das Alter begeistert auf.
In sieben Workshops hatten die Teilnehmer*innen die Gelegenheit unterschiedliche Aspekte von Identitätsentwicklung und Identitätsstörungen zu vertiefen und mit KBT-Methoden zu untersuchen.
Mit großem Beifall für das Vorbereitungsteam ging eine intensive und anregende Tagung zu Ende. Die nächste Jahrestagung wird vom 10. – 13.10.2019 wieder in Wiesbaden stattfinden.
Bericht: Susanne Kucher; Fotos: Manuela Engel
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