vom 12. bis 15.Oktober 2017 in Wiesbaden

Ute Backmann
VoBe Gruppe neu
Vorbereitungsgruppe

Im Namen des Vorstand des DAKBT (Deutscher Arbeitskreis für Konzentrative Bewegungstherapie) eröffnete Ute Backmann die diesjährige Tagung, an der auch der 40. Vereinsgeburtstag des DAKBT begangen wurde. Sie begrüßte die 110 Tagungsteilnehmerund bedankte sich bei der Vorbereitungsgruppe Nina Freudenberg, Anke Hamacher-Erbguth, Clara Scheepers-Assmus und Roland Brückl für die Wahl des Tagungsthemas “Geschwister”. Dazu gibt es bisher noch wenig Forschung im psychotherapeutischen Diskurs. Gleichzeitig hat das Thema in der politischen Landschaft große aktuelle Präsenz und eine Unmittelbarkeit für jeden von uns.

Anke
Anke Hamacher-Erbguth betonte in ihrer Einführung auch die gewachsene Verbundenheit mit den Schwesternverbänden des DAKBT, von denen Mitglieder aus Österreich, der Schweiz und der Slowakei auf dieser Tagung vertreten waren.

Das Thema Geschwisterlichkeit / Solidarität ist für die gesellschaftlichen Phänomene unserer Zeit von besonderer Relevanz. Mit dem Eröffnungsvortrag "Geschwistersein - Geschwisterhaben: Psychoanalytische Betrachtung der Geschwisterdynamik" gab Frau Dorothee Adam-Lauterbach (Berlin) einen umfassenden Einblick in das Tagungsthema.

 

Adam Lauterbach

Sie ist Autorin des Buches "Geschwisterbeziehungen und seelische Gesundheit" (2013). Frau Adam Lauterbach veranschaulichte durch eindrückliche Fallvignetten sehr lebendig die entwicklungspsychologischen Aspekte der Geschwisterbeziehungen sowie des Einzelkind-Daseins und beschrieb deren Wirkung auf den gesamten Lebenslauf des Menschen. Beim Zuhören wurde für Viele die eigene Geschwistergeschichte lebendig. Für die KBT von besonderem Interesse waren u.a. ihre Hinweise, dass auch das körperliche Ich-Erleben durch frühe Geschwistererfahrungen beeinflusst ist und dass mangelnde Abgrenzung gegenüber den Geschwistern auch zum Entwicklungsverzicht führen kann. Prägungen, die durch die Erfahrungen in KBT-Gruppentherapien (z. B. Raum nehmen) zu korrigierenden Beziehungserfahrungen führen können. Die Empathiefähigkeit wird unter dem Einfluss der (Gruppen)Geschwister gefördert.


Am Freitag führten Heidi Klett und Elvira Braun mit ihrem Vortrag "Geschwisterdynamik und deren Einfluss auf die Prozesse in der KBT" dieses Thema mit der ihnen eigenen unvergleichlichen Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit weiter.

Klett Braun
Sie nahmen das Publikum mit in den Alltag einer psychosomatischen Station und beleuchteten die Wirkung der "therapeutischen Gemeinschaft". Deren Regelungen und Abläufe bewirken eine "Familarisierung", die frühe Sehnsüchte und Bedürfnisse ebenso wie Verlassenheitsängste und Geschwisterkonflikte reaktualisieren.

Heidi Klett und Elvira Braun fragten, ob die Geschwisterdynamik in KBT-Gruppen unvermittelt auftaucht oder ob sie durch Angebote der KBT-TherapeutInnen inszeniert wird - und gaben mit einfühlsamen und beeindruckenden Fallvignetten Beispiele für beide Varianten. Betrachtet man das Geschehen in KBT-Gruppen durch die "Geschwisterbrille" findet man Yaloms "interpersonales Lernen" im Spannungsfeld von Zugehörigkeitsbedürfnis und Abwehr und Widerstand. Heidi Klett und Elvira Braun ermunterten alle KBT-KollegInnen dazu, jede kleinste Suchbewegung einer/s PatientIn im Selbsterleben, beim Bindungswunsch und im Beziehungsgeschehen wertzuschätzen, damit die dysfunktionale Spirale verlassen werden kann. Außerdem lenkten sie den Blick auf die Frage, woran anstehende Geschwisterthemen erkennbar sind und bekräftigten das Vertrauen in die Ressourcen, die in jedem Patienten vorhanden sind.


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Für den Samstag war Ulf Geuter aus Berlin erwartet worden. Er ist ein ausgewiesener Kenner der Entwicklung der Körperpsychotherapie und hatte das Thema "Gemeinsame Wurzeln, getrennte Jugend, versöhnte Reife? Die Beziehungen der Schulen und die Entwicklung der Körperpsychotherapie". Leider musste Ulf Geuter wegen einer Erkrankung kurzfristig absagen.

Dankenswerterweise stellte er noch in der Nacht seinen Vortrag und seine Folien per Email zur Verfügung und ebenso dankenswerterweise erklärte sich Karin Schreiber-Willnow von der Forschungsgruppe des DAKBT bereit, an seiner Stelle den Vortrag zu präsentieren. Ein doppelter Applaus schon zu Beginn. In gründlicher und lebendiger Weise zeigte Ulf Geuter den “Stammbaum” der Körperpsychotherapien im In- und Ausland von den beiden Strängen Gindler und Reich auf. 1990 wurde die Deutschen Gesellschaft für Körperpschotherapie (DGK) gegründet, in der die KBT als etablierte Methode gilt. Im zweiten Teil seiner Ausführungen zur “versöhnten Reife” stellte Ulf Geuter ein Modell vor, das das weite Spektrum der verschiedenen Schulen aufgreift. Ausgehend von der Definition des Menschen als lebendes System, für den das Erleben eine Form des subjektiven Erkennens von Bedeutung ist und das Körpererleben einen zentralen Zugang zum Selbsterleben darstellt, entwickelte Ulf Geuter 10 Prinzipien für einen körperpsychotherapeutischen Prozess. Ein großes Projekt für die Zukunft und es wird sich zeigen, ob es je gelingen kann, die einzelnen Schulen in dieser “Schatzkiste der Körperpsychotherapie” zu vereinen.


Roland Brückl bedankte sich im Namen aller Tagungsteilnehmer bei Karin Schreiber-Willnow.

Der Vortrag von Elisabeth Oedl-Kletter “Bin ich die Hüterin meines Bruders” brachte am Sonntagmorgen eine ebenso historisch-wissenschaftliche wie emotional dichte Abrundung des Tagungsthemas.

Oedl Kletter neu
Sie begann mit dem Blick auf die Geschwisterlichkeit der biblischen Geschichte der beiden ungleichen, sich fremden Brüder Kain und Abel, berichtete über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu frühesten intrauterinen Prägungen und zeigte auf, weshalb nicht regulierbare Affektzustände von Enttäuschung, Wut und Ausgeschlossenwerden Einfluß auf die Fähigkeit zur Solidarität des Menschen haben.

Mit der “Bipolarität der Geschwisterlichkeit” (Abgrenzung des Wir nach außen hin und Abgrenzung/Individuation zwischen den Geschwistern nach innen) verdeutlichte Elisabeth Oedl-Kletter, wie notwendig klare und verhandelbare Grenzen auch im therapeutischen Prozess sind. Sie gab einen Einblick in die “Polyvagal Theorie” von Stephan W. Porges (neurophysiologische Grundlagen von Emotion, Bindung und Kommunikation) und verwies auf die vielen Möglichkeiten der KBT, mentalisierungsfördernd auch die “physiologischen Grundlagen für Geschwisterlichkeit” zu fördern. Geschwister sind einander Mitfürsorger, Vorbilder, Spielkameraden und Systempartner. Die im Geschwistersystem jeweils andere Perspektive fühlend einnehmen zu können, erhöht die Verhaltenskompetenz und ist auch für die gesunde Entwicklung einer Gesellschaft von immenser Bedeutung. Elisabeth Oedl-Kletter schloss ihren Vortrag mit der Filmsequenz eines Flashmob aus Nürnberg, bei dem sich Menschen zusammenfinden um die “Ode an die Freude” miteinander zu spielen und zu singen: Die europäische Hymne als Zeichen von Brüderlichkeit/Geschwisterlichkeit.


Ergänzend zu den Vorträgen fanden mehrere Workshops statt, die alle gut besucht waren. Das Thema “Geschwister” wurde hier durch Workshops aus der Integrativen Bewegungstherapie, der Kommunikativen Bewegungstherapie und aus dem Sensory Awareness sehr schön umgesetzt.

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WS 1 “Geschwisterwerden ist nicht schwer, Geschwister sein mitunter sehr” Elvira Braun und Heidi Klett
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WS 2 “Bruder und Schwester: Wer bist Du? Für mich? Eine Einführung in das Geschwister-Panorama” Sylvia Keller-Kropp
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WS 3 “Zugehörig und einzigartig sein” Renate Schwarze
WS 4 “Beziehungen am Arbeitsplatz – verstehen und entwickeln” Renate Meyer
WS 5 “Integrative Bewegungstherapie mit jungen Erwachsenen” Martin J. Waibel
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WS 6 “Bindungen und Selbstentfaltung” Sibylle Katz und Regina Mockler-Sigle

Schnupperworkshop für KBT “Vom Festhalten und Loslassen im Leben” Anton Szugfil
Tägliche Morgeneinstimmung Ulrike Kühnel
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Offenes Angebot – “Sensory Awareness” Stefan Laeng-Gillliat
Tögel Opitz
Offenes Angebot – “Kommunikative Bewegungstherapie” Anette Tögel und Sophie Opitz

Auf der Generalversammlung des EAKBT (Europäischer Arbeitskreis für Konzentrative Bewegungstherapie) referierte Barbara Karlin als Vizepräsidentin über ihren Besuch auf der Sitzung des EAP (Europäischer Verband für Psychotherapie) in Antwerpen.

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Der EAP repräsentiert 128 Organisationen und 17 Europäische Vereinigungen aus 41 Ländern mit mehr als 120.000 Psychotherapeuten.  Über den EAP ist die KBT als Therapiemethode europaweit anerkannt. Barbara Karlin berichtete von der Sondierung eines Forschungsprojekts “Elternentfremdungssyndrom”; außerdem über die Vergabe von ECTS (europaweit gültigen Fortbildungspunkten) sowie über die Weiterentwicklung von Ethischen Richtlinien für Psychotherapie. Sie regte die Teilnahme von KBT-TherapeutInnen mit Fortbildungskursen in englischer Sprache auf den EAP-Kongressen an, weil dadurch eine europaweite Anerkennung als KursleiterInnen möglich wird.

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Zur neuen Delegierten des DAKBT im EAKBT wurde Maria Steiner gewählt.

Der nächste EAP-Kongress wird am 22. Februar 2018 in Wien stattfinden.


Bei einem Sektempfang am Freitagabend konnte die Arbeitsgruppe Öffenlichkeitsarbeit (Anke Hamacher-Erbguth und Christine Breitenborn) allen Tagungsteilnehmern als Geschenk des DAKBT ein druckfrisches Exemplar der Festschrift zum 40. Vereinsgeburtstag überreichen. Das erste Exemplar bekam Rudolf Kost, langjähriger ehemaliger Vorstand des DAKBT und Sohn der Vereinsgründerin Ursula Kost.

Foto Festschrift 1
Festschrift 2
Foto Festschrift 3

Beim gemeinsamen Betrachten entstand ein lebhafter Austausch von “alten” und “jungen” Vereinsmitgliedern über die Geschichte(n) des DAKBT.

In der Mitgliederversammlung des DAKBT am Samstag stand außer der umfangreichen Tagesordnung zu internen Vereinsthemen die Verabschiedung von Renate Schwarze aus ihrer Lehrtätigkeit im DAKBT auf dem Programm. Für den Vorstand hielt Anke Hamacher-Erbguth die Laudatio und würdigte die großen Verdienste Renate Schwarzes für die Weiterbildung im DAKBT auf ihrem Weg vom Gründungsmitglied bis heute.

Anke Renate

Vorstand 3

Eine 40-Jahre-Geburtstagstorte versüßte die Pause. Anschließend wählte die Mitgliederversammlung unter der Versammlungsleitung von Rudolf Kost einen neuen Vorstand. Die bisher schon zum Vorstand gehörenden Mitglieder Ute Backmann und Rosemarie Gässler und das neu hinzugekommene Mitglied Almut Krämer bilden den neuen Vorstand des DAKBT.


Nach neun Jahren Vorstandstätigkeit wurden Anke Hamacher-Erbguth, Regina Schrack-Frank und Roland Brückl mit großem Applaus, einem gemeinsamen Singen und mit Geschenken von den Lehrbeauftragten, von ihren Vorstandskolleginnen und den Geschäftsstellen-Mitarbeiterinnen verabschiedet. Renate Schwarze hielt die Dankesrede und brachte die Meilensteine in der Amtszeit dieses Vorstands in Erinnerung.

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Das alles war mehr als ein Grund zum Feiern - das taten alle Tagungsteilnehmer heiter und voller Tanzlust am Festabend. Der Sketch von Elvira Braun und Heidi Klett über Schwesternrivalität wurde mit Lachsalven und begeistertem Applaus belohnt.

Verbunden in der Freude über diese gelungene Tagung nahm das Publikum auf der Abschlussveranstaltung die von Nina Freudenberg moderierten Berichte einzelner Workshopteilnehmer zur “Ernte aus den Workshops” entgegen.

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Mit großem Dank an die Vorbereitungsgruppe und in der schon jetzt geäusserten Vorfreude auf die Tagung 2018 verabschiedete der Vorstand die Teilnehmer der Jahrestagung des DAKBT.

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Ein besonderer Dank gebührt auch Birgit Rosa und Uschi Schönberger von der Geschäftsstelle des DAKBT. Sie haben in der Vorbereitung und im Tagungsbüro stets für einen reibungslosen Ablauf gesorgt und wussten auf alle Fragen eine Antwort.

 


 

Text: Christine Breitenborn, Anke Hamacher-Erbguth

Fotos: Kathinka Kintrup, Clara Scheepers-Assmus