Wer sich erforscht, sieht weiter

„Wie intensiv Forschung betrieben wird, hängt auch und gerade von den jeweiligen Personen ab, die sich für ein Therapieverfahren engagieren“, betont Dr. Karin Schreiber-Willnow, Mitglied der wissenschaftlichen Forschungsgruppe des DAKBT.

Die KBT-Bewegung hat immer wieder Personen angezogen, denen der Blick auf Ursachen und Grundlagen wichtig war. Seit den 90er Jahren werden vermehrt Forschungsstudien zur KBT durchgeführt, wodurch die KBT in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit wahrgenommen wird und Anerkennung findet.

Professor Helmuth Stolze initiierte in den 70er Jahren eine Studie, in der das Gruppenerleben in KBT-Gruppen untersucht und ein Vergleich mit psychoanalytischen Gruppen unternommen wurde. 1985 konnten Anemone Carl und Mitarbeiter in einer empirischen Untersuchung an der Uniklinik Freiburg in einer kombiniert mit KBT und psychoanalytischer Therapie arbeitenden Gruppe zeigen, dass ein kontinuierlicher Gruppenprozess für beide Behandlungsverfahren gemeinsam ablief und sich die beiden Verfahren gegenseitig ergänzten. Dieses Behandlungskonzept wurde und wird seitdem in vielen psychosomatischen Kliniken angewandt.

In einer Umfrage unter 163 leitenden Ärzten von psychosomatischen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken wurde KBT schon 1995 am häufigsten als körperorientiertes Verfahren genannt, das von Bedeutung für die Psychotherapie ist. In verschiedenen Untersuchungen schätzen Patienten am Ende einer stationären Therapie die KBT sehr positiv ein.
Klaus-Peter Seidler untersuchte 1995 gezielt die Entwicklung des individuellen Körpergefühls innerhalb von KBT-Gruppen und ermittelte neben vier allgemeinen zwei spezifische Wirkfaktoren, die einen verbesserten Zugang zum eigenen Körper und ein gehobenes körperliches Wohlbefinden betreffen.

Forschung führt zu KBT-Anerkennung in Österreich

Im Jahr 2000 knüpfte Karin Schreiber-Willnow daran an und erforschte gezielt die Veränderung von Selbst- und Körpererleben bei der KBT im Rahmen stationärer Psychotherapie. Die Untersuchung, die zeigte, dass erfolgreiche Patienten auch eine deutliche Verbesserung des Körpererlebens in der KBT-Gruppe beschrieben, erfuhr eine wichtige Resonanz – allerdings nicht im Ursprungsland, sondern im Nachbarland Österreich, wo nicht zuletzt mit diesem Forschungsergebnis im Jahr 2001 die Anerkennung der KBT als „wissenschaftlich eigenständiges psychotherapeutisches Verfahren“ durch das Bundesministerium für Gesundheit erreicht werden konnte. Nicht so in Deutschland: In Folge des Psychotherapeutengesetzes von 1999 werden außer Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, sowie tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie (und inzwischen auch Gesprächspsychotherapie) keine weiteren Verfahren als wissenschaftlich anerkannt bezeichnet.

Wie lässt sich „Körpergefühl“ wissenschaftlich erforschen?

Trotz oder gerade wegen dieser für den professionellen Einsatz von KBT entscheidenden Grenzziehung wurde 1999 die Forschungsgruppe des DAKBT eingesetzt, die seither die bisherigen Forschungsaktivitäten dokumentiert und neue Studien initiiert hat. Dabei wird auch eine der größten Herausforderungen angegangen, der sich die KBT-Forschung gegenüber sieht: der Frage nämlich, wie nonverbale Merkmale des Patienten (z. B. Bewegung, Körperreaktionen, Körperempfindungen) zu dokumentieren sind. Als wichtiger Schritt hierzu gilt die Veröffentlichung eines Beobachtungsverfahrens zur wissenschaftlichen Dokumentation der spezifischen KBT-Inhalte, die im Rahmen der jährlich stattfindenden KBT-Forschungswerkstatt weiterentwickelt werden.
Die KBT-Forschungsgruppe hat in einer Umfrage bei KBT-Therapeuten herausgefunden, dass ambulante KBT-Behandlungen im Mittel etwa 50 Stunden dauern. Damit liegt der Behandlungsumfang ähnlich wie bei dem von den Krankenkassen vorgesehenen Stundenkontingent der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie.

Körperliches Wohlbefinden und Umgang mit sich und Anderen

Ein aktuelles Forschungsprojekt, das in Kürze beendet werden soll, untersucht die Effekte der ambulanten KBT-Behandlungen. Dabei handelt es sich um Patienten mit behandlungsbedürftigen Krankheitsbeschwerden. Eine Zwischenauswertung ergab Hinweise, dass sich bereits nach drei Monaten ausschließlicher KBT-Therapie die Symptome beginnen zurückzubilden. Patienten nach einem Jahr KBT-Behandlung hatten eine deutlich niedrigere Symptombelastung als bei Therapiebeginn. Weiteres Ergebnis ist, dass die Patienten die Therapie nicht nur als körperliche Verbesserung erlebten, sondern auch eine Verbesserung im Umgang mit sich selbst und Anderen wahrnahmen.
Anhand erster kontrollierter Studien zeichnet sich ein Wirkungsprofil für die KBT ab, das wesentliche Schwerpunkte der therapeutischen Arbeit widerspiegelt. In der praktischen KBT-Arbeit geht es immer wieder darum, dass Patienten Wege des besseren Umgangs mit dem eigenen Körper und sich selbst erarbeiten können. Entsprechend zeigen die Studienergebnisse ein verbessertes körperliches und psychisches Wohlbefinden. In der KBT wird den Patienten zudem ein therapeutischer „Spielraum“ zur Verfügung gestellt, um Neues für sich handelnd entdecken und ausprobieren zu können. Dies scheint förderlich für das in den Studien festgestellte gestiegene Selbstbewusstsein der Patienten zu sein.

Wer unvoreingenommen forscht, entwickelt sich weiter

Die Rolle der Forschung ist für die Weiterentwicklung der KBT von eminenter Bedeutung. Zahlreiche Studien konnten in anerkannten Fachzeitschriften veröffentlicht werden. In dem besonderen Thema der Erforschung des Körpererlebens gibt es auch neuere Bestrebungen, mit anderen körperorientierten Therapieformen, beispielsweise der Tanztherapie, Bioenergetik oder der Funktionellen Entspannung auf die Suche nach Gemeinsamkeiten zu gehen. Zweifelsohne blickt in Deutschland die KBT dabei auf eine vergleichsweise lang andauernde Forschungsgeschichte und intensiv erarbeitete wissenschaftliche Grundlagen körperorientierter Psychotherapieverfahren zurück.

Die KBT-Forschung fließt in die Weiterentwicklung der Methode ein, indem die Projekte und die Ergebnisse einmal im Jahr auf der KBT-Forschungswerkstatt vorgestellt und diskutiert werden.

Ausblick: Beschreibung des Unbeschreibbaren?

Lässt sich nicht nur die Wirksamkeit der Methode, sondern auch der Behandlungsansatz der KBT, das „konzentrative Anspüren“ des eigenen Körpers wissenschaftlich untersuchen? Hier könnte die Neurobiologie helfen. Sie konnte mit Hilfe moderner bildgebender Verfahren unter anderem den Nachweis der Existenz von Spiegelneuronen führen, die in einer Art Doppelfunktion im Gehirn sowohl beim Wahrnehmen eigener Körpererfahrungen aktiv sind, als auch beim Erkennen ähnlicher Vorgänge bei Anderen identisch reagieren. Für die KBT wäre dies ein spannendes Projekt: Ein Phänomen, welches Therapeuten mit den Patienten immer wieder erleben – nämlich, dass ein Patient seine Aufmerksamkeit auf Körperempfindungen in Ruhe oder Bewegung richtet und dadurch Erinnerungen an frühere konflikthafte oder traumatische Situationen auftauchen - auch im Licht der neurobiologischen Theorien zu erklären und mit den bildgebenden Verfahren darzustellen.

Über KBT: 
Die „Konzentrative Bewegungstherapie“ (KBT) ist ein körperorientiert psychotherapeutisch arbeitendes Therapieverfahren. Der Deutsche Arbeitskreis für KBT hat seinen Schwerpunkt in der qualifizierten Weiterbildung und in der weitergehenden Beforschung der Methode. In Deutschland wird die KBT-Methode seit den 50er Jahren mit großem Erfolg stationär angewandt: Derzeit in 92 psychosomatischen Kliniken (der überwiegenden Zahl derartiger Einrichtungen). Rund 260 Therapeutinnen und Therapeuten bieten KBT schwerpunktmäßig ambulant an. Über Landesgrenzen hinweg sind die Therapeuten in Belgien, Deutschland, Österreich, Italien, Schweiz und der Slowakei auch im EAKBT (Europäischer Arbeitskreis für KBT) organisiert.

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