Traumafolgestörungen und Gruppenpsychotherapie. Gruppenpsychotherapie in der Methode Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) als Möglichkeit für Menschen mit Traumafolgestörungen, aus erlernter Hilflosigkeit in Handlung zu kommen. Eine qualitative Untersuchung der KBT anhand von Expertinnen- und Experteninterviews. Unveröffentlichte Master Thesis, Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit, Donau-Universität Krems. Zugriff am 06.7.2017 unter http://webthesis.donau-uni.ac.at/thesen/93790.pdf.

Fragestellung / Hypothesen
Welche Möglichkeiten bietet die KBT-Gruppenbehandlung durch ihren speziellen Ansatz Menschen mit Traumafolgestörungen, ihre Handlungsspielräume zu erweitern? Es wird von der Annahme ausgegangen, dass unter (nicht weiter ausgeführten) bestimmten Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für Menschen mit Traumafolgestörungen störungsspezifisch gemischte KBT-Gruppe hilfreich sind, um sich zu stabilisieren, sich durch positive Erfahrungen selbstwirksam zu erleben und so mehr Handlungsspielraum zu entwickeln.

Stichprobe
Sieben KBT-Therapeuten (86% weiblich), die ambulant oder im stationären Setting arbeiten und eine Berufserfahrung zwischen sieben und 40 Jahren aufweisen.

Untersuchungsdesign
Expertenbefragung in Form eines Einzelinterviews.

Datenerhebungsverfahren
Interview auf der Grundlage eines nichtstandardisierten Leitfadens.

Datenauswertungsverfahren
Qualitative Inhaltsanalyse nach Gläser und Laudel (2009): Die Interviews wurden zunächst transkribiert, dann wurden relevante Aussagen extrahiert und in Kategorien, die sich sowohl vom Leitfaden her ableiten als auch induktiv entwickelt wurden, zusammengefasst.

Ergebnis
Es wurden acht Kategorien entwickelt, denen die Aussagen der Interviews zugeordnet werden: (1) Diagnostik, (2) Rahmenbedingungen, (3) therapeutische Haltung, (4) Bedeutung der Gruppe und Gruppendynamik, (5) traumaspezifisches Arbeiten, (6) Umgang mit Emotionen, (7) Umgang mit Vermeidung und (8) Ausbildung. Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: (zu 1) Eine genaue Diagnostik mit Anamnese und Erfassen der Biografie erachten alle KBT-Therapeuten als notwendig, um etwaige Traumatisierungen erfassen und eine gute Therapieplanung machen zu können. In diesem Zusammenhang wird auch die Einschätzung der Gruppenfähigkeit von einem KBT-Therapeuten genannt. Als diagnostische Hinweise auf Traumafolgestörungen werden spezifische Phänomene auf der Körper-, Verhaltens- und Beziehungsebene sowie Phänomene der Dissoziation und der Übertragung und Gegenübertragung beschrieben. (zu 2) Es wird die Sicherheit gebende Funktion von klaren Setting- bzw. Rahmenbedingungen der Behandlung sowie die Bedeutung von Gruppenregeln in Hinblick auf die Selbststeuerung der Patienten betont. Besonderheiten des stationären und ambulanten Settings werden erörtert, z.B. in Hinblick auf die Frage, ob Patienten, die Gruppensitzung in Hochstresssituationen vorzeitig beenden dürfen. Während dies in der stationären Behandlung vor dem Hintergrund von dann vorhandenem Pflegepersonal als nicht problematisch betrachtet wird, besteht hinsichtlich des ambulanten Settings Einigkeit darüber, dass Patienten während der Gruppensitzung den Gruppenraum nicht verlassen sollen. (zu 3) Es werden Merkmale der therapeutischen Haltung aufgeführt, die in der Behandlung von Patienten mit Traumafolgestörungen wichtig sind, wobei von den meisten KBT-Therapeuten das Fördern der Eigenverantwortung, die Herstellung des Realitäts- und Gegenwartsbezugs, die Klarheit und Transparenz des therapeutischen Handelns und die Ressourcenorientierung genannt werden. (zu 4) Die Bedeutung der Gruppe wird darin gesehen, den Patienten mit Traumafolgestörungen wichtige interpersonelle Lernerfahrungen zu ermöglichen, wie Schulung der Selbst- und Fremdwahrnehmung, Erfahrung von Unterstützung, Erprobung von Selbstbehauptung. Die Gruppe kann aber auch eine Herausforderung für diese Patienten darstellen, wenn es z.B. darum geht, Konflikte auszuhalten oder sich Patienten durch etwas im Gruppengeschehen getriggert fühlen. (zu 5) Als Schwerpunkte traumaspezifischer Arbeit werden aufgeführt: (a) ressourcenorientiertes Arbeiten, (b) Herstellung von Schutz und Sicherheit, (c) Förderung von Stabilisierungsmöglichkeiten, (d) Arbeit an den körperlichen und interpersonellen Grenzen, (e) Förderung einer besseren Nähe-Distanz-Regulation, (f) Förderung der Selbstwirksamkeit, (g) Arbeit mit inneren Anteilen, (h) Konfrontation mit Traumaerinnerungen und deren Bearbeitung. (zu 6) Auch wenn das Erleben von negativen Emotionen in der Gruppensitzung einen Trigger darstellt und belastend sein kann, wird es von allen KBT-Therapeuten als wichtig erachtet, dass Emotionen zugelassen werden und ein Umgang damit gefunden werden kann. Dies wird für folgende Gefühlsbereiche ausgeführt: (a) Angst, (b) Aggression, (c) Hilflosigkeit, Ohnmacht, Verzweiflung. Die Gefühlsbereiche Scham, Schuld und Trauer werden dagegen wenig beleuchtet. (zu 7) Es werden KBT-Angebote beschrieben, die das Vermeidungsverhalten von Patienten thematisieren. (zu 8) Auch wenn die KBT-Ausbildung eine Grundlage für die Arbeit mit traumatisierten Patienten darstelle, sehen die KBT-Therapeuten die Notwendigkeit, sich zusätzlich spezielles Wissen anzueignen, und halten eine KBT-Supervision zum Thema Trauma für hilfreich.

Anmerkung
Im Diskussionsteil der Arbeit werden die Ergebnisse u.a. in Hinblick auf die erforderlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die gruppentherapeutische KBT-Arbeit mit Patienten mit Traumafolgestörungen zusammengefasst. Eine kurze methodenbezogene Diskussion erfolgt hinsichtlich der Generalisierbarkeit der Ergebnisse sowie der von den interviewten KBT-Therapeuten nicht angesprochenen Themenbereiche (Opfer-Täter-Thematik widerspiegelnde Gruppendynamik, Bedeutung unterstützender Medikation). Die Autorin sieht ihre Annahme bestätigt, dass störungsspezifisch gemischte KBT-Gruppen für Patienten mit Traumafolgestörungen hilfreich sind. Allerdings bleibt offen, was mit „störungsspezifisch gemischten Gruppen“ eigentlich gemeint ist: Etwa Gruppen, an denen nur Patienten mit Traumafolgestörungen teilnehmen (störungsspezifisch) und zwar sowohl Männer und Frauen (gemischt) oder sogenannte störungsheterogene Gruppen für Patienten mit ganz unterschiedlichen Diagnosen. Die Art der Gruppenzusammensetzung taucht zudem weder im Interviewleitfaden auf, noch wird sie in den Experten-Interviews thematisiert, so dass ein zentraler Aspekt der Forschungshypothese letztlich unberücksichtigt bleibt. Als „Nebenprodukt“ der Arbeit wird im Anhang eine reichhaltige Sammlung von KBT-Angeboten aufgeführt, die in den Experten-Interviews als Beispiele unterschiedlicher Aspekte der therapeutischen Arbeit bei Patienten mit Traumafolgestörungen beschrieben wurden.