“Mit Leib und Seele?”: Die Relevanz des Körpers in der aktuellen Konzentrativen Bewegungstherapie in Österreich. Unveröffentlichte Master Thesis, Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit, Donau-Universität Krems. [In gekürzter Form veröffentlicht: Vrana, H. (2017). Mit Leib und Seele. Die Relevanz des Körpers in der aktuellen KBT-Psychotherapie in Österreich. Konzentrative Bewegungstherapie, 47, 77-83]

Fragestellung / Hypothesen
Die Studie geht zunächst den Fragen nach, ob die Akademisierung der KBT-Ausbildung in Österreich einen Einfluss darauf hat, (1) welchen Stellenwert die Arbeit mit dem Körper für KBT-Therapeuten hat, (2) wie diese mit Körperinterventionen arbeiten und (3) wie zufrieden KBT-Therapeuten mit der Ausbildung sind. Hinsichtlich der ersten beiden Fragen wird zudem überprüft, (4) ob sich KBT-Therapeuten aus West- und Ost-Österreich unterscheiden. Es wird dann untersucht, (5) wie sich das Kohärenzgefühl und das Körpererleben von KBT-Therapeuten darstellen und (6) ob beides sich darauf auswirkt, welche Bedeutung Körperinterventionen in der therapeutischen Arbeit der KBT-Therapeuten zukommt.

Stichprobe
57 aktiv praktizierende KBT-Therapeuten des ÖAKBT (81% weiblich), davon 22 mit abgeschlossener Ausbildung vor 2008, 14 nach 2008 (d.h. mit akademisierter Ausbildung) und 21 aktuelle Ausbildungskandidaten in Ausbildungs-Supervision.

Untersuchungsdesign
Online-Fragebogen-Untersuchung. 103 österreichische KBT-Therapeuten wurden per E-Mail zur Teilnahme eingeladen; die Rücklaufquote betrug 55%. Verglichen wurden folgende Teilstichproben: (1) KBT-Therapeuten mit Abschluss bis 2008 vs. KBT-Therapeuten mit Abschluss nach 2008 (d.h. mit akademisierter Ausbildung) vs. Ausbildungskandidaten in Ausbildungs-Supervision, (2) KBT-Therapeuten aus West-Österreich vs. KBT-Therapeuten aus Ost-Österreich.

Datenerhebungsverfahren
Es kamen drei Fragebögen zur Anwendung: (1) Ein von der Autorin entwickelter Fragebogen mit einer Liste einzelner Items mit 6-stufiger Skalierung (von 1 = “trifft gar nicht zu“ bis 6 = „trifft völlig zu“) zu verschiedenen Aspekten der körpertherapeutischen Arbeit in der KBT (z.B. subjektives Verständnis von „Körperintervention“, Fortbildungsbereitschaft in Bezug auf Körpertherapie, prozentueller Anteil von „Körperinterventionen“ in der therapeutischen Praxis) sowie Fragen zu soziodemographischen Merkmalen, (2) der Fragebogen zum Kohärenzgefühl (Sense of Coherence Scale [SOC-13], Schumacher, Gunzelmann & Brähler, 2000), (3) der Dresdner Körperbildfragebogen (DKB-35; Matthes, Franke & Jäger, 2011) mit den Skalen „Vitalität“, „Selbstakzeptanz“, „sexuelle Erfüllung“, „Selbstaufwertung“ und „Körperkontakt“.

Datenauswertungsverfahren
Deskriptive und inferenzstatistische Auswertung mit parametrischen Tests.

Ergebnis
KBT-Therapeuten ist der Einsatz körpertherapeutischer Interventionen wichtig (M=5.5), wobei sie durchschnittlich 30-50% der Zeit in Therapiestunden mit Körperinterventionen verwenden. Sie erleben sich in ihrer Arbeit in starkem Ausmaß auch als KBT-Therapeut (M=5.3) und nehmen Fortbildungen zur Körpertherapie meist wahr (M=5.0). Keine einheitliche Meinung besteht darin, ob Körperinterventionen in Abhängigkeit vom Setting angewendet werden (M=3.4) und die therapeutische Arbeit in Abhängigkeit vom Geschlecht des Patienten unterschiedlich ausfällt (M=3.6). Insgesamt sind KBT-Therapeuten eher damit zufrieden, wie sie den Körper im therapeutischen Prozess berücksichtigen (M=4.3). KBT-Therapeuten mit unterschiedlichem Ausbildungsabschluss bzw. Ausbildungsstatus unterscheiden sich nicht signifikant hinsichtlich dieser Aspekte der therapeutischen Arbeit. KBT-Therapeuten aus Ost- und West-Österreich unterscheiden sich nur darin, dass die Therapeuten aus West-Österreich in stärkerem Ausmaß ihre therapeutische Arbeit in Abhängigkeit vom Geschlecht des Patienten variieren. Die Ausbildung mit ihren unterschiedlichen Inhalten wird in der Weise beurteilt, dass insbesondere für die Selbsterfahrung in der Gruppe (M=5.1), die Supervision (M=4.6) und die Selbsterfahrung in der Einzeltherapie (M=4.7) eine hohe Zufriedenheit besteht, hingegen die Zufriedenheit mit den Theorieseminaren (M=4.1) und dem Praktikum (M=3.9) niedriger ausfällt. KBT-Therapeuten weisen ein deutlich stärkeres Kohärenzgefühl auf als die deutsche Normalbevölkerung und zeigen auf sämtlichen Skalen des DKB-35 höhere Werte auf als eine Gruppe von Medizinstudenten und eine Gruppe von Borderline-Patienten. Es bestehen mittel starke signifikante Zusammenhänge zwischen dem Kohärenzgefühl sowie einzelnen Aspekten des Körpererlebens mit der subjektiven Relevanz von Körperinterventionen, d.h. je höher das Kohärenzgefühl der KBT-Therapeuten ausfällt und je mehr sie ihren Körper akzeptieren und körperliche Nähe zu anderen suchen, desto höher bewerten sie die Relevanz von Körperinterventionen. Für den Zusammenhang von Körpererleben von KBT-Therapeuten und der Art ihrer körpertherapeutischen Arbeit lassen sich nur vereinzelte signifikante Korrelationen nachweisen. Demnach verwenden KBT-Therapeuten desto mehr Gegenstände als Realobjekt und regen Leiberfahrungen mit Hilfe von Gegenständen an, desto vitaler sie sich körperlich fühlen (mittel starker Effekt). Sie regen umso mehr das Handeln im therapeutischen Raum an, je mehr sie mit ihrem sexuellen Erleben zufrieden sind, und fördern desto mehr die Leiberfahrung mit anderen Gruppenteilnehmern, je mehr sie ihren Körper als attraktiv bewerten und sich entsprechend im sozialen Umfeld verhalten (jeweils kleiner Effekt)

Anmerkung
Die Autorin sieht in den Ergebnissen u.a. eine Bestätigung der ausgeprägten körpertherapeutischen Identität der KBT-Therapeuten. Da kein Vergleich mit Therapeuten anderer Verfahren vorliegt, bleibt offen, inwieweit es sich dabei um ein überraschendes Ergebnis handelt oder z.B. bei Tanztherapeuten oder Musiktherapeuten eine ähnliche starke Identifikation mit ihrem methodischen Vorgehen vorliegt. Die Beurteilung der Untersuchungsergebnisse und deren Interpretation durch die Autorin sind zudem aufgrund verschiedener methodischer Probleme sowie fehlender Angaben erschwert. Da der von der Autorin entwickelte Fragebogen im Anhang nicht aufgeführt ist bzw. dieser nicht umfassend dargestellt wird, bleibt z.B. unklar, wonach genau beim Item „Körperrelevanz“ gefragt wird. Die Autorin stellt in der Diskussion fest, dass sich kein signifikanter Unterschied bei den KBT-Therapeuten bezüglich ihrer Zufriedenheit mit der Ausbildung in Abhängigkeit vom Ausbildungsabschluss bzw. -status ergab, ohne dass im Ergebnisteil die Ergebnisse einer entsprechenden statistischen Testung aufgeführt werden; die mitgeteilten Mittelwerte und Standardabweichungen deuten aber daraufhin, dass die Selbsterfahrung in der Einzeltherapie sehr wohl unterschiedlich bewertet wurde. Da die Teilstichproben zum Teil sehr klein ausfallen und eine Überprüfung einzelner Voraussetzungen für die Anwendung parametrischer Testverfahren, wie Normalverteilung der einzelnen Variablen, nicht erfolgte, sind die statistischen Auswertungen mit Vorsicht zu interpretieren. Zudem ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der kleinen Teilstichproben nur große Unterschiede signifikant werden konnten, solche aber bei sozialwissenschaftlichen Fragestellungen nicht unbedingt zu erwarten sind. Da multiple Testungen ohne detaillierte Hypothesenbildung vorgenommen wurden, aber keine Adjustierung des Signifikanzniveaus erfolgte, bleibt auch fraglich, inwieweit die wenigen signifikanten Korrelationen, die sich zum Zusammenhang von DKB-35-Skalen und den Items zur Art der körpertherapeutischen Arbeit ergaben, rein zufallsbedingt sind. Inhaltlich bemerkenswert ist das Ergebnis, dass die therapeutische Arbeit von KBT-Therapeuten überwiegend nicht durch Körperinterventionen geprägt ist, d.h. in 50-70% einer Therapiestunde kommen andere therapeutische Interventionen und Inhalte zum Tragen. Körperinterventionen sind dabei von der Autorin sehr weit definiert, so dass damit z.B. auch das Sprechen über das Körpererleben, das Handeln im therapeutischen Raum und die Arbeit mit Gegenständen als Symbol gemeint sind. So ergibt sich die Frage, wenn man dem Ergebnis Glauben schenken mag, worin der überwiegende Teil der therapeutischen Arbeit von KBT-Therapeuten eigentlich besteht.