Psychosomatische Tagesklinik: Verarbeitung und Bewertung der Therapieelemente. In U. Schultz-Venrath (Hrsg.), Psychotherapien in Tageskliniken. Methoden, Konzepte, Strukturen (S. 97-118). Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

Fragestellung / Hypothesen
Es werden die Ergebnisse von zwei Studien dargestellt. Die erste Studie überprüft, wie die Therapiekomponenten einer psychosomatischen Tagesklinik am Behandlungsende von den Patienten bewertet werden und ob sich diesbezüglich Unterschiede zwischen einzelnen Diagnosegruppen finden lassen. Die zweite Studie geht in zwei Untersuchungen der Frage nach, wie die therapeutischen Erfahrungen, welche in einzelnen Therapiekomponenten gemacht werden, durch die Patienten verarbeitet bzw. verinnerlicht werden. (Bezüglich der zweiten Studie wird hier nur auf diejenige Untersuchung eingegangen, in der auch Ergebnisse zur Körpertherapie berichtet werden.)

Stichprobe
Studie 1: 418 Patienten (67,9% Frauen; 365 Patienten mit ausgefüllten Fragebogen) einer universitären psychosomatischen Tagesklinik. Studie 2: 8 Patienten einer universitären psychosomatischen Tagesklinik..

Untersuchungsdesign
Studie 1: Retrospektive Bewertung von Therapiekomponenten aus Patientensicht anhand eines Fragebogens. Dabei wurden nicht sämtliche Therapiekomponenten von allen Patienten bewertet, da einige Komponenten nur für eine Teilgruppe der Patienten vorgesehen waren. Studie 2: Interviews zu drei Messzeitpunkten (t1: 2 Wochen nach Aufnahme, t2: 6-7 Wochen nach Aufnahme, t3: 1 Woche vor Entlassung).

Datenerhebungsverfahren
Studie 1: Therapiebausteine-Fragebogen (Zeeck et al., 2009), der eine Bewertung einzelner Therapiekomponenten anhand einer Skala von -3 („sehr behindernd“) bis +3 („sehr hilfreich“) erlaubt. Studie 2: Interview zu Therapierepräsentationen, in dem erfasst wird, wann und wie die tagesklinische Behandlung in den therapiefreien Zeiten im inneren Erleben der Patienten repräsentiert ist. Im ersten Teil des Interviews werden die Patienten zu einem freien Bericht angeregt, der zweite Teil besteht aus standardisierten Fragen, die sich an den Skalen des Inter-Session-Fragebogens (ISF; Hartmann, Orlinsky, Geller & Zeeck, 2003) orientieren.

Datenauswertungsverfahren
Studie 1: Deskriptive Auswertung der Therapiekomponenten-Bewertung und inferenzstatistische Auswertung in Hinblick auf diagnosebezogene Unterschiede. Studie 2: Deskriptive Auswertung eines Diagramms.

Ergebnis
Studie 1: Die KBT-Gruppe wird mit einem Durchschnittwert von M=1,9 und einer Standardabweichung von SD=1,3 von Patienten als hilfreich erlebt, wobei keine große Diskrepanz zu der Bewertung anderer Gruppenangebote besteht: Von den therapeutischen Gruppenangeboten weist die Gestaltungstherapie die beste Durchschnittsbewertung (M=2,1; SD=1,2) und die interaktionelle Gruppentherapie die schlechteste Bewertung (M=1,5; SD=1,4) auf; von den Therapiekomponenten insgesamt schneidet die Einzeltherapie am besten (M=2,6; SD=0,7) und die Teamvisite am schlechtesten (M=0,6; SD=1,4) ab. Die KBT-Gruppe wird von Patienten mit Essstörungen und somatoformen Störungen als weniger hilfreich bewertet, als von Patienten mit Depression oder Angststörungen. Ansonsten zeigen sich, abgesehen von der Entspannungstherapie, die von essgestörten Patienten schlechter bewertet wird, keine weiteren diagnosebezogenen Unterschiede in der Bewertung der Therapiekomponenten. Studie 2: Patienten denken insbesondere an ihre Einzeltherapie, wenn sie in der therapiefreien Zeit innerlich mit der tagesklinischen Behandlung beschäftigt sind. Die prozentuale Häufigkeit liegt für die drei Messzeitpunkte für die Beschäftigung mit der Einzeltherapie im Bereich 28% bis 36%. Mit der Körpertherapie sind Patienten im Vergleich in den therapiefreien Zeiten wenig beschäftigt, wobei sich aber im Behandlungsverlauf eine Zunahme ihrer Bedeutung abzeichnet. So beträgt der prozentuale Anteil der Beschäftigung mit der Körpertherapie in der Therapieanfangsphase 2%, in der mittleren Behandlungsphase 4% und 8% in der Entlassungsphase. Ein ähnliches Muster zunehmender Bedeutung auf niedrigem Niveau ergibt sich ebenfalls für die Gruppentherapie im Verlauf (t1: 0%, t2: 8%, t3: 8%). Mit der Gestaltungstherapie sind die Patienten konstant vergleichsweise etwas mehr in den therapiefreien Zeiten beschäftigt (t1: 13%, t2: 14%, t3: 13%).

Anmerkung
Wie von den Autoren angemerkt wird, muss es keinesfalls so sein, dass die Therapiekomponenten, die von Patienten subjektiv als besonders hilfreich eingeschätzt werden oder mit denen sie in der therapiefreien Zeit in starkem Ausmaß beschäftigt sind, auch objektiv die größte Wirksamkeit haben. So zeigte sich z.B. in der Studie von Zeeck et al. (2009), dass sich Patientinnen mit einer Anorexia nervosa, die das Therapieziel einer ausreichenden Gewichtszunahme erreicht hatten, nicht von denjenigen Patientinnen in der Beurteilung der KBT-Gruppen- und Einzeltherapie unterschieden, die dieses Therapieziel nicht erreicht hatten. Von den Autoren wird auch diskutiert, womit die schlechtere Beurteilung der KBT-Gruppe durch die Patienten mit Essstörungen und somatoformen Störungen möglicherweise zusammenhängt: Bei einer Gruppengröße von ca. 10 Teilnehmern sind diese Patienten schnell überfordert, und ein individuelles Eingehen oder Abstimmen des therapeutischen Angebots ist nicht ausreichend möglich. Patienten mit somatoformen Störungen kommen zudem oft mit Angeboten nicht zurecht, die eine Fähigkeit zur Symbolisierung und Wahrnehmung erfordern. Für Patienten mit Essstörungen, die ein ausgeprägtes negatives Körpererleben, häufig in Verbindung mit Missbrauchserfahrungen und einer Körperbildstörung, aufweisen, wird eine körperorientierte Behandlung im Einzelsetting für sinnvoller erachtet. In Studie 2 ist unklar, was mit „Körpertherapie“ gemeint ist. Möglicherweise wurden hier die KBT-Gruppenbehandlung, die Entspannungsgruppe und die bei Bedarf verordneten körperorientierten Zusatzangebote (Sport, Krankengymnastik, Akupunktur) zusammengefasst. Aufgrund der kleinen Stichprobengröße ist es sehr fraglich, inwieweit die geschilderten Ergebnisse z.B. in Hinblick auf das Erleben von Körpertherapie- und Gestaltungstherapie-Gruppen in der therapiefreien Zeit verallgemeinerbar sind. So zeigt sich in der Studie von Pomnitz et al. (2016) bei einer großen Stichprobe von Patienten stationärer Psychotherapie, dass in den therapiefreien Zeiten Körpertherapie-Gruppen im Vergleich zu Gestaltungstherapie-Gruppen in intensiverer Weise im Erleben der Patienten präsent sind.