Miriam Goldberg - 22. Oktober 1926 - 19. Februar 2000 

Als ich anlässlich der Demonstration der Bewegungsarbeit eines Münchner Kollegen, es muss im Frühjahr 1962 gewesen sein, mit einer Dame ins Gespräch kam, ahnte ich nicht, dass sich daraus eine jahrzehntelange Zusammenarbeit und Freundschaft entwickeln würde.

Ich erzählte von einer Art Bewegungstherapie, die ich seit einigen Jahren mit Psychotherapie- Patienten durchführte, und Iud sie, nachdem sie Interesse dafür gezeigt hatte, zur TeiInahme an einer Gruppenarbeit mit Patienten ein. Wir trafen uns danach noch einmal, zusammen mit J. E. Meyer, und diskutierten über die psychotherapeutischen Möglichkeiten einer Bewegungstherapie. Dabei erst erfuhr ich von der jahrelangen Ausbildung dieser Dame, es war dies eben Miriam Goldberg, bei Vera Jaffé, Lotte KristelIer (einer früheren SchüIerin Elsa Gindlers‘ und der Lehranalyse bei Erich Neumann in TeI Aviv. Hätte ich das alles vorher gewusst: Ich glaube, ich hätte nicht den Mut gehabt, Frau Goldberg zu meiner Arbeit einzuladen.

Schon in diesen ersten kurzen Begegnungen hatte ich das Gefühl einer Gleichgestimmtheit unserer Anschauungen - wobei wir diese Anschauungen eigentlich gar nicht kannten und nur die Gleichgestimmtheit spürten.

Etwa ein halbes Jahr später Iieß mich Frau Heller wissen, dass sie sich aus AItersgründen nicht mehr imstande fühle, in Lindau Kurse zu geben. Da erinnerte ich mich an Frau Goldberg, die inzwischen wieder nach Tel Aviv zurückgekehrt war, und unterbreitete ihr meine Bitte um Mitarbeit. Und so kurz entschIossen, wie ich ihr geschrieben hatte, so kurz entschlossen antwortete sie: ,,Ja, ich komme!"

Warum diese lange Geschichte? Weil sie mir typisch zu sein scheint für Miriam GoIdberg, für ihre Art, da zu sein und zu arbeiten, ja überhaupt zu Ieben. Länger als drei Jahrzehnte trafen wir uns zu gemeinsamer Arbeit, wussten persönlich zuerst fast nichts, dann viele Jahre ganz wenig voneinander. Trotzdem mussten wir uns nie absprechen über das, was wir vorhatten in unseren Kursen, wie unsere Zusammenarbeit sich gestaIten und wer wann die Leitung übernehmen würde.

Je mehr Menschen Miriam in diesen Kursen bei der Arbeit erlebten, desto größer wurde der Kreis derjenigen, die sie für Kurse in DeutschIand und anderen europäischen Ländern gewinnen woIlten und konnten, als sie die Mitarbeit bei den Lindauer Psychotherapiewochen aufgab. Damit war sie frei von allen Zwängen der methodischen Einordnung und Benennung ihrer Arbeit und von Weiterbildungsordnungen. „Wer mit mir arbeiten will ist willkommen", das war ihre Devise. Sie wollte ihre Arbeit nicht und je äIter sie wurde, desto weniger, in ein methodisches Schema pressen Iassen, was nicht heißt, dass sie kein klares BiId von ihrer Arbeit gehabt hätte. In dieser Unabhängigkeit konnte sie das verwirklichen, was die bioIogische Wissenschaft inzwischen aIs grundlegend erkannt hat: Dass das Leben stets individueIl ist, dass es im Lebendigen nie etwas Gleiches gibt.

Das Wichtige war Miriam nicht das Reden über ihre Arbeit, sondern die Arbeit selbst im Tun und Ge- schehenlassen. Und wir konnten immer wieder erfahren, wie sie dabei trotz einer nach außen gezeigten, scheinbaren Beiläufigkeit ihrer Anweisungen und Äußerungen selbst immer höchst präsent war. Für diese Präsenz, ihr Da-Sein, können wir ihr nicht genug dankbar sein und bleiben.

Umsorgt von ihrer Familie konnte Miriam bis auf die letzten Tage ihr Leben in ihrem Zuhause in Tel Aviv verbringen. Nahe dem Kibbuz Hefzi Ba, in dem sie nach ihrer Auswanderung als Neunjährige aus Preßburg aufgewachsen ist, und nicht weit von ihrem geliebten Sommersitz En Haemeq liegt sie auf dem Friedhof des Kibbuz Ha Zorea in Galiläa an der Seite ihres Mannes begraben.