von B. Böttcher, Dresden

Lange bevor ich selbst etwas mit dem Fachgebiet der Psychotherapie zu tun hatte und doch um 1970 schon als Physiotherapeutin mit Kinder-und Erwachsenengruppen im Poliklinik-Bereich der Universitätsklinik Dresden arbeitete, fiel mir in einem Dresdner Antiquariat auf einem offenen Büchertisch ein Buch direkt in meine Hände: „Das obere Kreuz“ (1953) von einem Verfasser Helmuth Stolze!

Rückenverspannungen waren mir von vielen Patienten vertraut, denn sie kommen damit gern zur Massage!

Im Inhaltsverzeichnis sprach mich deshalb ein Abschnitt an: „Die psychotherapeutischen Hilfsmethoden“ (S. 109/110) mit folgenden Textstellen: „Therapeutisch eröffnet sich uns die Möglichkeit einer Beeinflussung des seelischen Bereichs vom Körperlichen her. Eine Reihe von Behandlungsmethoden, die, in diesem Sinne angewandt............Es sind dies Massage, Krankengymnastik, Bewegungs-und Atemtherapie......“ und weiter: „Eine seelische Krankenbehandlung schließt also die Möglichkeit des Tuns ein. Dies ist besonders wichtig für den Behandlungsbeginn. Der Patient kommt ja mit körperlichen Schmerzen und Beschwerden zum Arzt und erwartet, dass nun etwas Handgreifliches geschehe. Solange er noch nicht die Einsicht in die Bedeutung seelischer Faktoren für das Zustandekommen seiner Beschwerden hat, würde er nicht verstehen, wenn der Arzt vom Körperlichen her nichts unternähme, und würde sich vielleicht zurückziehen“ und weiter: „Es wäre deshalb am besten, wenn der Arzt selbst ein solcher Behandler sein könnte, ........Man muss aber wissen, in wessen Hand man seine Patienten gibt.......Nicht zuletzt hatte ich in Frl. Cl. eine ganz besonders nette Heilgymnastikerin, die auch persönlich sehr anteilnehmend und von großer Herzenswärme war. Von seinen Mitarbeitern wird man also nicht nur technisches Können, sondern auch menschliche Substanz fordern“.

Auch lasich in diesem Buch von Carl Gustav Carus, dem Dresdner Arzt, der das Universitätsklinikum Dresden mit seinem Namen prägt. In Stolzes Buch stand nun etwas vom gestaltsymbolischen Aspekt in Beziehung zu Carus künstlerischen Arbeiten.

Es kam mir Vieles einleuchtend vor, und dieses Buch war wohl der allererste Grund, mich dann etwas später um eine Weiterbildung zu kümmern, welche in der DDR Ende der sechziger Jahre aufkam: Der Fachphysiotherapeut für funktionelle Störungen und Neurosen.

1972 – 1974 hatte ich dann das Glück zur Delegation für diese Weiterbildung, welche staatlich anerkannt und über das Zentralinstitut für die Weiterbildung mittlerer medizinischer Fachkräfte in Potsdam konzipiert war. Die konkrete Ausbildung mit ca. 500 Stunden fand dann im Universitätsklinikum Leipzig, Fachabteilung für Neurosenforschung auf der Karl-Tauchnitz-Straße, statt. Es war die Kooperationseinrichtung für die Bezirksakademie des Gesundheits-und Sozialwesens in Leipzig. In der DDR war das Gesundheitswesen hierarchisch aufgestellt und hatte für das „mittlere medizinische Personal“ zentral organisierte Weiterbildungsformen in die Bezirke delegiert, wie auch die Anbindung an die ärztlichen Fachgesellschaften.

Während dieser Ausbildung war aus der Geschichte zum Fachphysiotherapeuten bekannt, dass Prof. Stolze 1967 die Tagung „Probleme der Bewegungstherapie unter psychotherapeutischem Aspekt“ an der Leipziger Universität mitgestaltet hatte, indem er seine Konzentrative Bewegungstherapie vorstellte.

Mit unter den Zuhörern war Anita Kiesel, damals als junge Physiotherapeutin an dieser Klinik tätig. Sie hatte sich durch das Interesse ihrer Chefärztin Christa Kohler für die körperbezogenen Therapien in ihrer „Kommunikativen Psychotherapie“ auf den Weg gemacht, für die Patienten der Neurosenklinik eine störungsspezifische Körperarbeit zu entwickeln. Kiesel (später Wilda-Kiesel) bezog sich auf die Wurzeln von Gindler, auf eigene Erfahrungen in den Ostländern, wie CSSR und Polen und auf die eigenen praktischen Ergebnisse im stationären Bereich der Klinik.

Nun stellte Helmuth Stolze seine Konzentrative Bewegungstherapie vor. Das berührte, bestätigte und inspirierte zu Weiterem und Neuem auf diesen körperorientierten Wegen.

Es entstanden aus Wilda-Kiesels praktischer Körperarbeit in den folgenden Jahren im wissenschaftlich tätigen Team der Klinik gemeinsame theoretische Konzepte. Nach einer Studie mit der Konzentrativen Entspannung bei Schwimmsportlern und ihrer Diplomarbeit dazu veröffentlichte Wilda-Kiesel 1977 in den Lehrmaterialien für die Physiotherapeuten das übende Relaxationsverfahren „Die Konzentrative Entspannung“ (KoE). Außerdem wurden die Schwunggymnastik und Kommunikative Bewegungstherapie (KB) zu Basisverfahren in ihrer klinischen Arbeit. Auch für Ärzte und Psychologenwaren diese neuen praktischen Fortbildungen zugänglich.

Nach meiner eigenen Prüfung für die Fachphysiotherapeutenausbildung in Leipzig (1973)bei Wilda-Kiesel ging ich zurück in die Dresdner Poliklinik und nahm die physiotherapeutische Arbeit wieder auf. Ich war bereichert durch das andere, personenbezogene Therapeutenverhalten, die eigentliche Brücke zur psychophysischen Spannungsregulation und Bewegungstherapie unter kommunikativem Aspekt. Und als staatlich anerkannte Fachqualifikation war damit eine Selbstverständlichkeit der Zusammenarbeit mit dem Arzt auch in der Ambulanz gegeben.

Meine erste KoE-Gruppe war als „Atemgruppe“ ausgewiesen. Die ärztliche Verordnung und Mentorenschaft in einer Poliklinik ermöglichten ohne große inhaltliche Neuorientierung eine Gruppenarbeit, die sich für mich inhaltlich zunächst aber nicht vollkommen erklären ließ. Denn im Unterschied zur physiotherapeutischen, ergebnisorientierten Körperarbeit orientierte nun das klientzentrierte Vorgehen darauf, die Eigenwahrnehmung zu fördern und sich dabei mit einem Verhalten ohne Bewertung und klarem Ergebnis zurechtzufinden. Ja, es war anfangs mein eigenes Problem, nicht eingreifen zu „müssen“, wenn sich aus physiotherapeutischer Sicht die Rückenlage zum Beispiel von Außen als “angespannt“ darstellte, aber sich nun daraus keine Korrektur durch mich ableiten sollte.

Die neuen Erkenntnisse aus der Fachphysiotherapeutenausbildung zielten auf „Selbstwahrnehmen, Selbstbenennen und Selbstregulation.

In der Fachphysiotherapeutenausbildung war bis dahin keine eigene Gruppenselbsterfahrung tiefenpsychologisch-dynamischer Art dabei, auch wenn Wilda-Kiesel selbst in den Selbsterfahrungsseminaren der Ärzte integriert war und dort auch Gruppen leitete.

Erst meine spätere Teilnahme an einer tiefenpsychologisch orientierten Selbsterfahrungsgruppe mit Ärzten und Psychologen in Berlin im Haus der Gesundheit, wie auch Seminare in klientzentrierter Gesprächsführung nach Gordon und Balintarbeit ermöglichten es mir, den neuen Umgang mit der Patientenarbeit zu verinnerlichen.

Erstaunlich in der Rückerinnerung bleibt bis heute, dass damals von allen Seiten, besonders auch von Klinikchefs, angetragen wurde, den Physiotherapeuten und auch Ärzten diese neue Art der Körperwahrnehmung weiterzugeben. Besonders die Dresdner Kinderpsychologen bemühten sich um diese selbsterlebte Fortbildung in Konzentrativer Entspannung, welche mir nun von Anita Wilda - Kiesel in die Hand gegeben wurde, sie auch an andere im Praktischen zu vermitteln. So ganz einfach begann das und sehr autodidaktisch für mich als „Lehrer“ für Konzentrative Entspannung!

Es ergab sich außerdem eine neue Erfahrung dadurch, dass sich meine „Chefin“ der Physiotherapie - Frau Katharina Knauth in Dresden - sehr intensiv mit der körperorientierten Art der Ausdrucksgymnastik beschäftigte. Sie hatte in Dresden eine Gindler-Schülerin unter ihren Patienten entdeckt. Diese kluge Frau gestaltete nun unsere Mittagspausen in der Poliklinik mit praktischem Gindler-Repertoire: zum Beispiel lernten wir die Lage auf dem Gindlerstab und feine, sehr behutsame Wahrnehmungsübungen, weitergegeben im Miteinander-Üben von Person zu Person. Obwohl Yoga und Meditation in der DDR- Zeit der sechziger Jahre noch zu den „Tabuthemen“ gehörten, war die Gindler – Arbeit unverdächtig, sich gegen die staatliche Linie zu richten. Der Name Elsa Gindler war mit ihrem Image verbunden, sich der werktätigen Frau aus Arbeiterkreisen gewidmet zu haben. Ihre Körperarbeit erinnerte man als helfend gegenüber jüdisch verfolgten Bürgern in der nationalsozialistischen „Gefahrenzone“. Damit war Gindlers außerordentlich individuumbezogene Körperarbeit nie verdächtig, antisozialistisch zu sein! So paradox und auch sehr einfach waren manche Tendenzen in der DDR, auch echt fortschrittsfördernd, wenn ideologische Widerstände gegen eine Entwicklung einfach nicht aufkamen.

In der folgenden Zeit - seit 1980 – fanden dann jährlich mindestens zwei Fortbildungskurse Konzentrative Entspannung statt – bis zur Wende stark nachgefragt und ganz besonders in den Kureinrichtungen von den Chefärzten direkt gewünscht. Die Grundkurse waren zunächst getrennt nach den Berufen konzipiert: Physiotherapeuten für sich und Ärzte, wie auch Psychologen für sich. Später fanden dann gemeinsam gestaltete Aufbaukurse statt, in welchen das eigene „Stundenhalten“ mit den Kursteilnehmern von der Teilnehmergruppe reflektiert wurde. So entstand auch eine Vertrautheit zwischen den Berufsgruppen.

Die Konzentrative Entspannung hatte deshalb ihren festen Platz in der Physiotherapie und darüber hinaus in der Verbreitung bei Ärzten und Psychologen.

Unter diesen Vorzeichen von Zusammenarbeit gab es 1987 sogar eine zentral vom Weiterbildungsinstitut Potsdam organisierte Veranstaltung für alle DDR- Lehrer der Physiotherapie. Innerhalb von drei Tagen kamen in einer vielgestaltigen Gruppenarbeit die Konzentrative Entspannung, die Kommunikative Bewegungstherapie und das Reflektieren mit Rollenspielen zur Lehrerthematik zustande. Im Rückblick ist eine solche Veranstaltung heute kaum mehr vorstellbar, doch auch das war Realität.

Im Vorstand der Sektion Autogenes Training und Hypnose in der Gesellschaft für Ärztliche Psychotherapie kam es schon 1986 zur Gründung der AG Konzentrative Entspannung. Als Vertreterin für diese Relaxationsmethode wurde ich als außerordentliches Mitglied in den Vorstand kooptiert. Gemeinsam diskutiert kamen im Vorstand mit den vertretenen Berufen der Ärzte und Psychologen inhaltlich weiterführende Konzepte der Zusammenarbeit ins Gespräch. Größere Tagungen mit berufsübergreifenden Vortragsthemen und Praxisseminaren kamen zur Durchführung:

  • 13.-15.12.1988 im Schloss Schwerin
  • 09.-10.11.1989 im Volksheilbad Bad Berka

Diese letzte Tagung der Arbeitsgemeinschaft Konzentrative Entspannung wurde zum gemeinsamen Erlebnis des „Mauerfalls“ über Nacht – ganz dicht an der nun geöffneten innerdeutschen Grenze. Wir alle waren staunend und eher sprachlos - und doch voll von Gefühlen!

Bis zur Wende schien die Arbeit mit der Konzentrativen Entspannung (KoE) relativ selbstverständlich. Erst mit dem Umbruch zeigte sich, dass wir, die Physiotherapeuten, nun in einem Grenzgebiet agierten, wofür es zwar den Bestandsschutz des Fachphysiotherapeuten gab, aber keine gesamtdeutsche Fortentwicklung. So fanden vielseitige Kurse weiterhin zwar statt, aber es fehlte im Richtlinienbereich der Physiotherapeuten die Positionierung, um störungsspezifisch wirklich mit behandeln zu können und eine fachliche Qualität auch zu benennen. Im stationären Bereich fiel das zunächst kaum auf, da dem Arzt die fachliche Verantwortung obliegt und in der Teamarbeit vom Physiotherapeuten der Körper ohnehin vielseitig behandelt wird.

Eine Verbindung zu Helmuth Stolze gab es bis zum Jahre 2000 seit den sechziger Jahren damals in Leipzig nicht mehr.

Erst im Jahre 2000 kam mir in einem Pausengespräch einer Dresdner Tagung mit psychosomatischer Thematik der Zufall entgegen: am Kaffee-Stehtisch tauschte ich mich mit einer westdeutschen Körpertherapeutin aus. Wir interessierten uns beide für die gleichen Wurzeln: Gindler und Stolze! Sie ermunterte mich herzlich, doch mal ein Zeichen an Herrn Stolze zu geben. Das tat ich dann mit einer Postkarte aus Dresden! Und Herr Stolze antwortete! Und die Antwort hörte sich so aufgeschlossen an, dass ich ihn einlud, auf unserer Tagung „Sand im Getriebe – Befindlichkeiten von Therapeuten zwischen Physiotherapie und Psychotherapie“ einen Vortrag zu übernehmen!

Von der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universitätsklinik Dresden, meiner damaligen Arbeitsstelle unter der Leitung von Prof. Joraschky, wurden die Tagungsaktivitäten gern unterstützt und durch Beiträge mitgestaltet.

Ja, Prof. Stolze sagte zu! Und nun war ich dran, mich auf die Wissenschaft der Psychotherapie mit dem Körper einzulassen, bzw. Voraussetzungen zum Inhalt der Tagung in Beziehung zu Herrn Stolzes Gedanken zu schaffen. Für den Vortrag wählte er den Titel: „Dem Anderen begegnen“.

Beim zweiten Nachdenken kamen mir doch manche Eigenzweifel, ja auch Schreck und Scham, mich da so weit aus dem physiotherapeutischen Fenster zu lehnen, um nun der bisherigen Körperarbeit mehr Tiefgründigkeit zu geben. Denn Herr Stolze sagte nicht nur „Ja“, sondern er gestaltete das Gemeinsame gründlich und schlug obendrein noch zusätzlich eine praktische Arbeitsgruppe vor! Nun gab es dazu intensiven brieflichen Austausch. Ab und zu fand ich mich in Bezug auf die Wissenschaft mit dem Körper doch recht „vorwitzig“, die Bedenken, ob es mit allen Vortragenden zwischen Psychotherapie und Physiotherapie „gut“ ausgeht, waren deutlich spürbar.

Aber es kam anders: Herrn Stolzes Unterkunft für den Aufenthalt zur Tagung war einfacher Art, aber wir fanden für ihn etwas ganz in der Nähe des Universitätsklinikums, dem Veranstaltungsort, also leicht erreichbar! Aber es war da kein Frühstück dabei. So ging ich mit Korb, Kaffee und einer Vielfalt an Kleinigkeiten, um dies alles an der Tür abzugeben. Als Herr Stolze die Tür öffnete und mich mit dem Korb sah, lachte er und meinte, dass ich wohl das Rotkäppchen sei! Es lockerte die Tagungsvorbereitung nun doch herzlich auf! Wir erlebten eine gelungene dreitätige Veranstaltung mit einem begeisterten Publikum aus allen Berufen.

Schon der Vortragsstart von Herrn Stolze überraschte: Mit geschlossenen Augen waren die Zuhörer – und es waren fast Hundert - aufgefordert, ihren Sitz zu verlassen, um den Vergleich auf dem Boden unten zu spüren und sich dann – wieder oben angelangt – im Vergleichen zu äußern! Die Veröffentlichung in der Zeitschrift der Physiotherapeuten erinnert an eine wunderbare Atmosphäre inmitten sehr vielseitiger Themen und praktischer Angebote.

Im März 2004 kam Herr Stolze nochmals nach Dresden. Diesmal begleitete ihn seine Frau Maria Stolze. Veranstaltet unter dem Dach des Sächsischen Weiterbildungskreises (für psychodynamische Psychotherapie)waren berufsübergreifend nun Ausbildungskandidaten der Psychotherapie im Publikum, Physio- und Bewegungstherapeuten dabei. Herrn Stolzes „Tetraeder des Begreifens“ als Thema verband anspruchsvolle Theorie mit praktischen Demonstrationen. Sein Balancieren auf einer etwas wackeligen Fußbank haben wir nicht vergessen! Die persönliche Begegnung mit Frau und Herrn Stolze ließ uns das bleibende Erinnern an zwei wunderbare Menschen zurück.

In Dresdens Zentrum, bei regnerischem Wetter gemeinsam besucht, ließen wir uns damals den kräftigen Frühlingswind um die Nase wehen, besuchten das Kügelgen-Haus und die Gemäldegalerie der Alten Meister. Unvergesslich unser Besuch der Sixtinischen Madonna. Diesem Wochenende in Dresden folgten Briefkontakte und auch Nacharbeit des fachlichen Vortrags. Auch Einzelarbeiten zu Herrn Stolzes besonderen Vorbliebe, der griechischen Literatur usw., schenkte er uns. Es war die Resonanz auf alles, was gemeinsam hier in Dresden wahrgenommen wurde, ein wertvolles Erlebnis.

Die Tage und Wochen danach, sein plötzliches Krankseins durften wir in seinem Brief, geschrieben von Frau Stolze in seinem Namen, als Tröstendes annehmen. Es war eine frohe Gestimmtheit darin, so im Reinen mit sich, seinen Lieben und der Welt um sich zu sein. Es blieben uns Vorträge und Ausführungen zu seinen Themen der Psychotherapie, seiner Neigung zu den griechischen Sagen und seine ganz menschliche Art des Umgangsmit persönlichen Leiden, Schmerz und Abschied.

Es scheint mir und uns gerade wie gestern erst, sein Tod am 23.12.2004. Auch höre ich ihn noch lachend klagen, als ich ihn bei seinem letzten Besuch in Dresden versehentlich zwei Jahre älter angekündigt hatte – er meinte, dass er da ja nach zwei Jahren nochmal wiederkommen müsse!

Nach dieser damaligen „Sternstunde“ der Begegnung, erlaube ich mir, das zehnte Jahr der Abwesenheit seiner Persönlichkeit aus der Erinnerung zu beschreiben und auch zu resümieren, dass er die Dresdner Wege der Körperarbeit nicht nur bereichert, sondern auch zukunftsfroh mitgestaltet hat. Das Danke an ihn und seine Frau bleibt und auch das Nachwinken.

Es machte uns seine große unvoreingenommene Offenheit für unsere eigenen Versuche mit der Körperarbeit deutlich. Abgetrennt durch Mauer und Andersartigkeiten der Gesellschaft fanden wir die uns möglichen Wege. Wir mussten uns nicht missverstanden fühlen. Das kleine Stück Begleitung durch Herrn Stolze hat uns gut getan. Es blieb ein gemeinsamer Wert zurück, dass es eine bezugnehmende Wissenschaft der Körperarbeit geben kann. Als ich die „psychotherapeutischen Hilfsmethoden“ von 1953 damals zur Tagung in Dresden Herrn Stolze persönlich als „sein Denkmodell“ zurückgab, winkte er ab, denn sicher lag diese Beschreibung am Beginn seiner Arbeit und war aus seiner weiteren Erfahrung mit der KBT-Entwicklung vielleicht nicht mehr zeitgemäß.

Und trotzdem ist die „besonders nette Krankengymnastin“ von damals zunächst ein Schlüssel dafür, dass es in der subordinativen Bezugnahme zwischen Psychotherapeut und Physiotherapeut um Wissenschaft der Empathiefähigkeit gehen kann. Denn dafür braucht es professionelle Vorbereitung, als Physiotherapeutin niedrigschwellig und einfühlsam den körperorientierten störungsspezifischen Zugang zur Psychotherapie zu ermöglichen. Es ist für die Schnittstellen zwischen Psychotherapie und Körpertherapie das Einfache, was immer schon schwer zu machen war und doch auch ganz leicht sein kann.

Mit Herrn Stolzes Sorgfalt, unsere Dresdner Veranstaltungen damals auch in der Beziehung zwischen Psychotherapeut und Physiotherapeut fachlich ganz bewusst mit zu gestalten, ist seine letzte Anwesenheit sehr nachhaltig geblieben.

Und so sind wir vorangekommen, nun – ein viertel Jahrhundert nach dem Fall der Mauer!