Schneller, höher, weiter – wo bleibt der Mensch?"
Konzentrative Bewegungstherapie in der Auseinandersetzung mit Zeit-Phänomenen 

Die 39. Jahrestagung des DAKBT fand diesmal im Herzen Deutschlands, im Bundesland Hessen statt. Tagungsort war das Parkhotel Kolpinghaus Fulda. Vorbereitet wurde die Fachtagung vom Arbeitskreis Nürnberg, der gleich zu Beginn der Veranstaltung durch das Vorstandsmitglied Roland Brückl vorgestellt und mit großem Applaus begrüßt wurde.

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(von links: Regina Schrack-Frank, Silvia Maag, Susanne Wagner, Elfriede Kolb-Eisner, Karin Hartwig, Hildegard Schirmer, Jürgen Schultheiß) Regina Schrack-Frank eröffnete im Anschluss die Jahrestagung und begrüßte die ersten Referenten, Prof. Harald Gündel und Massimo Lanza von der Universitätsklinik Ulm, die sich dem Thema „Erfahrungen mit arbeitsplatzassoziierten Erkrankungen (Burnout) sowie psychischer Primär-, Sekundär und Tertiärprävention" widmeten.

Prof. Gündel berichtete anhand von Fallbeispielen aus seiner Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie über die Ursachen, die manche Menschen in eine Depression und somit in seine Klinik führten.Er zeigte auf, wie Stress das biologische System beeinflussen kann. Er differenzierte u.a. die in der Medizin definierte Depression, die ihre Quelle im Individuum sieht und den in der Arbeitspsychologie definierten Burnout, der durch den Arbeitsplatz mit verursacht wird. Frauen und Männern zeigen dabei geschlechtsspezifisch unterschiedliche Symptomatik. Sein Vortrag schloss mit dem Hinweis auf die Möglichkeiten der Primärprävention: Grenzen bewahren und Inseln aufsuchen.

Gündel
Prof. Harald Gündel
Massimo
Massimo Lanza

Im zweiten Teil des Vortrags referierte Massimo Lanza, KBT-Therapeut in Weiterbildung, lebendig und anschaulichden Fall „Frau M" live aus der KBT-Gruppe in der Psychosomatik.
Beide Referenten ernteten langen Applaus und stellten sich im Anschluss der Diskussion.

Nach einer Pause verteilten sich die TagungsteilnehmerInnen auf fünf verschiedene Workshops, die von erfahrenen Referenten über jeweils vier Tage geleitet wurden:

  • „Jeden Tag neu beginnen" Einführung in die Körperarbeit nach Lucie Lentz
    (Siegried Haselmann)
  • „Eine Pause hab ich mir gar nicht verdient" – KBT mit Burnout-Patienten
    (Jürgen Schultheiß)
  • „Wenn uns das Hören und Sehen vergeht – über die Sinne zur Selbstbesinnung"
    (Clara Scheepers-Assmus)
  • „Freundlich zu sich selbst sein, Leben ist Tanz"
    (Renate Schwarze)
  • „Plötzlich ist alles anders- der Umgang in der KBT mit Übergängen"
    (Elvira Braun, Heide Häcker)
  • „Vom Zeit leben und Zeit erleben", Schnupperworkshop für KBT für externe Interessenten (nur Freitag und Samstag)
    (Adolf Deitermann)

Am Abend war noch Treffen der Gremien. Bei den WeiterbildungskandidatInnen fanden sich 18 TeilnehmerInnen ein, die über eine Stunde ihre Fragen an den Vorstand sowie die Weiterbildungskommission stellen konnten. Elvira Braun, die über sechs Jahre die Weiterbildungskommission leitete, übergab ihr Amt unter dankendem Applaus an ihre Kollegin Evelyn Schmidt.

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Den zweiten Tagungstag eröffnete der Vortrag von Ulrike Schmitz, Lehrtherapeutin und Supervisorin des DAKBT, mit dem Thema „Konzentrative Bewegungstherapie im Spannungsfeld zwischen individueller Entwicklung und gesellschaftlichen Veränderungen."

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Sie schilderte dabei anschaulich Fallbeispiele aus ihrer eigenen Praxis als KBT-Therapeutin und fesselte das Publikum, das hörbar mitlebte. Dabei warf sie Fragen auf, beschloss ihren Beitrag noch mit einer filmischen Zukunftsvision über digitales Erleben und Handeln von der Berlinale und regte nach ausgiebigem Applaus zur kollegialen Diskussion über die Schwierigkeiten und Chancen der jetzigen Zeit an.

Beim Treffen des EAKBT nach der Mittagspause fanden sich ca. 20 ZuhörerInnen ein, darunter auch TeilnehmerInnen aus Österreich und der Schweiz. Moderiert wurde das Treffen von Ulla Dultz. Zur Veranschaulichung hielt Regina Schrack-Frank die wichtigsten Punkte am Flipchart fest. Das Amt der Delegierten beim EAP wurde über zwölf Jahre von Marie-Louise Redel und Barbara Bayerl bekleidet. Ulla Dultz wurde neu in das Amt eingeführt und berichtete über ihre ersten Erfahrungen bei den Treffen des EAP. Diese Treffen finden einmal jährlich in Wien, ein zweites Mal in einer anderen europäischen Stadt statt. Ulla Dultz warb noch um eine Partnerin zur Unterstützung in ihrem Amt und forderte die Mitglieder des DAKBT auf, sich am kommenden Tag zur Wahl zu stellen.

Am Nachmittag konnten die TagungsteilnehmerInnen an einer Stadtführung durchs leider inzwischen verregnete Fulda teilnehmen. Die Interessierten wurden jedoch kurzweilig und unterhaltsam durch Dom, Kirche und Altstadt geführt.Am Nachmittag konnten die TagungsteilnehmerInnen an einer Stadtführung durchs leider inzwischen verregnete Fulda teilnehmen. Die Interessierten wurden jedoch kurzweilig und unterhaltsam durch Dom, Kirche und Altstadt geführt.

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Den Abend beschloss Prof. Frank Erbguth von der Klinik für Neurologie, Klinikum Nürnberg mit einem flotten Kurzvortrag zum Thema „Presto – Largo – Pausa: wie tickt das Gehirn? Eine Skizze aus der Hirnforschung.

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Prof. Erbguth beschrieb die enorme Zunahme der zu verarbeitenden Informationen mit ständig sich steigernder Taktfrequenz und den gleichzeitigen Wegfall von physikalischen Barrieren durch die ausschließlich digitale Übertragung. Das Gehirn selbst habe keinen extra Sensor für Zeitwahrnehmung. Er wies auf Befunde hin, nach denen dieselben Strukturen im Gehirn, die für die Wahrnehmung von Körperfunktionen zuständig sind, auch Zeiterleben erfassen (Thalamus). Das Gehirn sei nicht angelegt auf Multitasking- die Höchstgrenze für effiziente und qualitativ hohe Leistung läge bei zwei zeitgleich erledigten Aufgaben.

Abschließend gab Prof. Erbguth zu bedenken, dass jeder im raum nicht nur Opfer der Zeithetze sondern auch Täter sei. Jeder solle sich kritisch fragen, inwieweit er selbst zum zunehmenden Zeitdruck mit Erwartungen oder Handlungen beitrage.

Dem lebendigen Vortrag schloss sich ein Kurzfilm der Hofer Filmtage an, den der Referent für den Abend organisieren konnte. „Die Verwandlung" von Igor Plischke ging echt unter die Haut. Er zeigt anschaulich und mit schnellen Bildern von enormem Leistungsdruck im vordergründig „freundschaftlich-familiären" Büroalltag, dem ein erfolgreicher junger Mann zunehmend nicht mehr gewachsen ist.

Parallel waren aus dem Nachbarraum befreiende Schreie und Stampfen des Workshops „Impro-Theater", geleitet von Karin Hartwig, zu hören – hier schien es lustig zuzugehen.

Nach dem Filmbeitrag traf sich eine Gruppe Interessierter in der Galerie des Vortragsraumes zur Vernissage der Ausstellung „Lucie Lentz – jeden Tag neu beginnen". Durch die Ausstellung führte Sigrid Haselmann, die Leben und Wirken von Lucie Lentz begleitend zu ihrem Workshop „Einführung in die Körperarbeit nach Lucie Lentz" liebevoll an vier Stellwänden zusammengestellt hatte.

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Am Samstag fanden sich die ZuhörerInnenkurz vor 9.00 Uhr für den Vortrag von Ulrich Schnabel, Wissenschaftsredakteur der ZEIT in Hamburg ein und fanden am Büchertisch die Bestseller „Muße. Vom Glück des Nichtstuns" sowie das im Herbst erschienene Buch „Was kostet ein Lächeln? Von der Macht der Emotionen unserer Gesellschaft". Ulrich Schnabel ist Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher über Themen im Grenzbereich zwischen Natur- und Geisteswissenschaften.

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Der gelernte Physiker fesselte das Fachpublikum mit dem Thema „Die Fallen der Gefühlsarbeit" – Von alltäglicher Hetze und emotionaler Erschöpfung – und wie man damit umgeht. Als Journalist habe man den Blick von oben, wie aus einem Hubschrauber, während die KBT in den Tälern therapeutische Arbeit leiste. Treffend mit Karikaturen sowie einprägenden Sätzen und Bildern zog er die Zuhörerschaft mit den drei Themen „Moderne Gefühlsarbeit", „Emotionale Ansteckung" sowie „Der Rahmen des Mitgefühls" in seinen Bann. Er erntete lang anhaltenden Applaus, stellte sich im Anschluss der Diskussion und signierte die noch zahlreich erworbenen Bücher.

Am Nachmittag trafen sich dann die Mitglieder des DAKBT und der Vorstand zur vierstündigen Mitgliederversammlung.
Geehrt wurden mit einer Schweigeminute die Verstorbenen Lucie Lentz und Gertrud von Peschke. Ulla Dultz bekam als EAP-Delegierte Verstärkung durch Katharina Kliestenec aus der Schweiz. In der Geschäftsstelle erhält Frau Schönberger Unterstützung von Birgit Rosa, die dem DAKBT seit langem verbunden ist. Neu in den Reihen der Lehrbeauftragten finden sich nach erfolgreich bestandener Prüfung Kathinka Kintrup und Roland Brückl. In der Weiterbildungskommission übernahmen Evelyn Schmidt und Waltraud Betker den Platz von Elvira Braun, die nach sechs Jahren verabschiedet wurde. Die Kassenprüfung übernehmen neu Barbara Pfister sowie Martina Fuhrmann-Hüper.
Höhepunkt der Veranstaltung war die Verabschiedung des bisherigen Vorstandes aus seiner jetzigen Dreier-Formation (Roland Brückl, Anke Hamacher-Erbguth sowie Regina Schrack-Frank), der mit Liebe, Verständnis, Wertschätzung und Kompetenz seine Arbeit geleistet und ein vernetztes Miteinander gefördert hat. Der sichtlich bewegte Vorstand erhielt nicht enden wollenden Applaus mit Standing Ovations.

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Es folgte die Neuwahl des Vorstandes, der im Kern einstimmig wiedergewählt wurde, jedoch nun eine Erweiterung um zwei neue Mitglieder fand, die ebenfalls von den 61 Stimmberechtigten einstimmig gewählt wurden: Ute Backmann und Rosemarie Gässler.

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Die Mitgliederversammlung schloss mit einem Ausblick auf die Jahrestagung 2016 in Salzburg, die vom 13.-16. Oktober stattfinden wird mit dem Thema "Wer wir sind, was wir tun – Wesentliches in Geschichte und Gegenwart der KBT". Die darauf folgende Jahrestagung des DAKBT wird 2017 vom 12.-15. Oktober in Wiesbaden stattfinden.
Den Abend krönte ein festliches Büffet mit anschließendem Tanz, zu dem der DJ des Vorjahres extra aus Freiburg angereist war, denn ein solch tanzfreudiges Publikum sei selten zu finden. Bereits beim ersten Lied stürmen die Gäste die Tanzfläche und tanzen ausgelassen bis zum Ende des Festabends!

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Am Sonntag traf sich die Zuhörerschaft noch einmal um 9.00 Uhr im großen, inzwischen wieder bestuhlten Saal zum Abschlussvortrag, den Prof. Peter Joraschky, ehemaliger Leiter der Psychosomatischen Universitätsklinik Dresden mit einer humorvollen Anekdote eröffnete.

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Sein Thema „Welche Wunden heilt die Zeit? Welche Wunden heilt die Langzeittherapie?" veranschaulichte die Dringlichkeit einer längeren Betreuung von Patienten. Bindungsverunsicherte Patienten können erst durch die Sicherheit einer Bindung Beruhigung und Entwicklung erfahren. Am Beispiel Edward Munchs zeigte Prof.Joraschky mit einem eindrücklichen Bilderzyklus über die Lebensspanne Munchs, wie der Maler sich auf diesem Weg beruhigen und seinen Gefühlen Ausdruck verleihen konnte.

Am Mittag kamen alle TeilnehmerInnen der Jahrestagung zum letzen Mal im Saal zusammen, um der Vorbereitungsgruppe für die wunderbare Organisation und Betreuung der Jahrestagung in Fulda zu danken. Renate Schwarze und Rudolf Kost überreichten den Schaffenden ein Buchpräsent und der alte sowie der neue Vorstand wurde mit Blumen beschenkt: die tiefroten Amaryllis für die erfahrenen, die lachsfarbenen für die noch „jungen" Mitglieder des Vorstands. Ein schönes Bild zum Abschluss der 39. Jahrestagung des DAKBT.

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Text und Fotos: Almut Krämer

Meine erste Jahrestagung

Schon auf dem Fußweg vom Bahnhof aus begegnet mir jemand mit Wolldecke und Koffer in der Hand – biegt offensichtlich in die gleichen Straßen ein wie ich! Das kann nur ein KBTler sein auf der Suche nach dem Tagungshotel (wer sonst reist mit einer Decke im Gepäck!)
Als ich dort ankam, fühle mich vom ersten Moment an " gut willkommen geheißen" und aufgenommen - gute Organisation im Vorfeld und bei der Begrüßung im Eingangsbereich des Hotels.
Und obwohl es meine erste Teilnahme an einer gesamten Jahrestagung ist, spüre ich, dass ich hier richtig bin: ich fühle mich kompetent in dem was ich mitbringe und neugierig auf das was dazukommt, was sich ergänzen kann; wo ich etwas wiederholen, mich erinnern kann; wo mich etwas anspornt es zu vertiefen oder nachzulesen, wo Lust entsteht, nachzufragen: sei es im Workshop oder im Vortrag, im einzelnen Gespräch oder in einer Rückmeldung, sei es im Kontakt oder in der Beobachtung, bei einer Begegnung.
Ich fühle mich jetzt schon – obwohl noch in meinem "Ursprungsberuf arbeitend", bestätigt und inspiriert, die mir bisher bekannten Situationen aus dem Arbeitsfeld - sei es im Kontakt mit Patienten oder auch mit Kollegen – und bis hin ins Privatleben unter neuen Impulsen zu sehen, diese zu integrieren. Ein weiterer wichtiger Baustein der Jahrestagung: Es ist toll, die anderen Weiterbildungskandidaten beim Treffen kennenzulernen und mit einzelnen im Laufe der Tagung noch Verschiedenes auszutauschen. Es ist eine große Chance, über die eigene 240 Std.-Gruppe hinaus, sich zu " vernetzen".
Die Krönung nach einer langen Mitgliederversammlung war dann das Fest am Abend: Auf keiner Veranstaltung habe ich es bisher erlebt, dass innerhalb von wenigen Sekunden nach Anklang der Tanzmusik die Tanzfläche sooo voll wurde und den Abend über blieb. Spätestens hier wird das BEWEGT SEIN in der KBT sichtbar.
Ich fühle mich beschenkt und in meiner Entscheidung, die KBT weiter zu lernen, bestärkt. Ich bin angeregt, geordnet und immer wieder diese Bestätigung: es ist gut, wo ich herkomme, was ich bisher beruflich gemacht habe: Dies hat seinen Wert und darf noch Ergänzung erfahren...
Es war toll zu erleben, wie viele kleine Rädchen im DAKBT zusammenarbeiten und wenn mal eines kurzfristig sich verklemmt (krank wird) – wie viele bemüht sind, dies zu kompensieren und umzuorganisieren. Danke!
Tina Hamacher
Physiotherapeutin, Weiterbildungskandidatin DAKBT